Pharmaka aus Kunststoffabfällen
Pilze setzen Polyethylen-Abfälle in pharmakologisch interessante Stoffwechselprodukte um
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Kunststoffe sind aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Schätzungen zufolge wird die weltweite Produktion bis 2040 1,1 Mrd. Tonnen pro Jahr erreichen. Entsprechend steigen die Abfallmengen, die auf Deponien oder in den Weltmeeren landen. Sie bedrohen zunehmend unsere Nahrungsmittelversorgung und Ökosysteme. Besonders problematisch sind Polyethylene (PE). Obwohl sie die häufigsten Kunststoffe sind, sind die Recyclingansätze sehr begrenzt. Dieselben Eigenschaften, die PEs im Gebrauch widerstandsfähig und nützlich machen, behindern Abbau und Recycling. Ein Problem ist ihr Kohlenwasserstoff-Rückgrat, das keinerlei „Sollbruchstellen“ für eine Spaltung bietet, sodass keine Bruchstücke definierter Länge zu erhalten sind und breite Produktgemische von geringem Wert entstehen.
Das Team um Travis J. Williams und Clay C. C. Wang an der University of Southern California (Los Angeles) sowie Berl Oakley an der University of Kansas (Lawrence) stellt jetzt einen kombinierten chemisch-biologischen Ansatz vor, mit dem ein Upcycling von PE-Abfällen zu wertvollen und komplexen pharmakologisch interessanten Verbindungen gelingt. Im ersten Schritt setzt das Team das PE katalytisch mit Sauerstoff bei 150 °C zu verschiedensten Dicarbonsäuren (Kohlenwasserstoffketten mit zwei Säuregruppen) um. Diese werden im zweiten Schritt an Pilze „verfüttert“, die daraus interessante Naturstoffe machen. Dies konnten das Team u.a. an realen PE-Abfällen aus dem Nordpazifikwirbel zeigen.
Nach der PE-Spaltung müssen zunächst die für Pilze giftigen kurzkettigen Dicarbonsäuren abgetrennt werden. Diese können als Rohstoffe dienen, z.B. für die Synthese bioabbaubarer Kunststoffe für die Landwirtschaft. Die längerkettigen Disäuren mit mehr als zehn Kohlenstoffatomen können Pilzkulturen von Aspergillus nidulans als Nahrung verwerten. Pilze wachsen rasch, sind kostengünstig kultivierbar und werden bereits breit eingesetzt, um Wirkstoffe herzustellen, man denke nur an Antibiotika wie z.B. Penicillin. Das Team entwickelte eine robuste Strategie, um die Stoffwechselwege von A. nidulans gentechnisch so zu modifizieren, dass der Pilz das gewünschte Produkt in hoher Ausbeute herstellt. Als Beispielsubstanzen stellten sie Asperbenzaldehyd, Citreoviridin bzw. Mutilin her – Naturstoffe, die Ausgangspunkte für die Suche nach Wirkstoffen gegen Krankheiten, wie Alzheimer und Krebs, bzw. nach Mitteln gegen Antibiotika-resistente Bakterien sein könnten. Eine breite Palette weiterer bioaktiver Substanzen könnte mit dieser Strategie ausgehend von PE-Abfällen erzeugt werden.
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