Kontrolle der molekularen Händigkeit mit Hilfe von Licht
Relevant könnte das neue Verfahren vor allem für die künstliche Herstellung von Stoffverbindungen sein
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„Moleküle, die aus vier oder mehr Atomen bestehen, sind oft chiral, das heißt die räumliche Anordnung der Atome ist rechtshändig oder linkshändig. Damit hat jedes chirale Molekül einen Zwilling aus der Spiegelwelt, nämlich das Molekül mit der entgegengesetzten Händigkeit“, erklärt Prof. Dr. Christiane Koch vom Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin. Die linkshändige und die rechtshändige Version des Moleküls (auch Enantiomere genannt) seien dabei physikalisch einander völlig gleichwertig, reagieren aber je nach Händigkeit sehr unterschiedlich mit ihrer Umgebung und auch miteinander. Das ist ganz genauso wie bei zwei menschlichen Händen – begegnen sich zwei rechte Hände, begrüßen sich die Personen neutral, während die Berührung einer rechten und einer linken Hand eine romantische oder führsorgliche Geste ist.
Die Eigenschaft von Molekülen, in linkshändiger oder rechtshändiger räumlicher Konfiguration aufzutreten, stellt die Wissenschaft noch immer vor große Rätsel. „Zum Beispiel sind biologisch relevante Moleküle überwiegend homochiral, das heißt in lebenden Zellen tritt nur eines der beiden möglichen Spiegelbilder auf. Obwohl sie aus exakt denselben Atomen bestehen, unterscheiden sich die beiden Spiegelbilder in vielen Eigenschaften“, erklärt Christiane Koch weiter. Beispielsweise könne ein Enantiomer nach Orangen riechen, während das andere nach Zitronen riecht. „Oder noch schlimmer, ein Enantiomer ist ein Heilmittel für eine Krankheit, während das andere ein gefährliches Gift ist. Deshalb ist es wichtig, bei der Synthese der Moleküle kontrollieren zu können, ob die rechtshändige oder die linkshändige Variante gebildet wird“, betont die Physikerin weiter. In der chemischen Synthese versucht man üblicherweise, die Händigkeit des zu synthetisierenden Moleküls mit chiralen Chemikalien zu kontrollieren. Alternativ dazu wurde in der Vergangenheit die Möglichkeit der sogenannten absolute-asymmetrischen Synthese diskutiert, bei der man die Chiralität des Reaktionsprodukts mit Hilfe von Lichtfeldern kontrolliert. Wie genau das gehen kann, war bisher aber offen.
Für diese Alternative haben Dr. Denis Tikhonov, Alexander Blech, Dr. Monika Leibscher, Prof. Loren Greenman, Prof. Dr. Melanie Schnell und Prof. Dr. Christiane Koch in ihrer Arbeit nun ein praktisch umsetzbares Verfahren konzipiert. In einem aus ebenen (und damit nicht-chiralen) COFCl-Molekülen bestehenden Gas als Ausgangspunkt werden Schwingungsbewegungen angeregt, die das Kohlenstoff-Atom aus der Molekülebene heraus auslenken und dem Molekül dadurch eine Händigkeit verleihen. Wenn das Molekül dann von oben nach unten durch die Ausgangsebene schwingt, ändert sich die molekulare Händigkeit mit der Zeit. Diese Änderung kann gemessen werden, indem man die Moleküle ionisiert und die Zeitverzögerung zwischen der Anregung der Schwingung und der Ionisation variiert.
Um die zeitabhängige Händigkeit des gesamten molekularen Ensembles messen zu können, muss die Anregung der Schwingungsbewegung durch drei verschiedene elektrische Felder aufgebaut werden, die senkrecht zueinander stehen. Andernfalls beginnt die Hälfte der Moleküle die Schwingung in einer linkshändigen Konfiguration und die andere Hälfte in einer rechtshändigen Konfiguration, so dass für die Gesamtheit aller Moleküle kein Signal entsteht. Die Kombination elektrischer Felder, die das Team identifiziert hat, sorgt dafür, dass alle Moleküle im Gas die Schwingung mit der gleichen Händigkeit beginnen. Technisch gesehen kann diese Kombination für die Anregung der Schwingung durch einen links- und einen rechtszirkular polarisierten Lichtpuls, die zusammen einen sogenannten Raman-Übergang induzieren, und ein statisches elektrisches Feld realisiert werden. Wenn die schwingungsangeregten Moleküle dann zeitverzögert ionisiert werden, lässt sich aus den Richtungen, in die Elektronen emittiert werden, auf die Händigkeit der Moleküle schließen. Die Autorinnen und Autoren argumentieren, dass das vorgeschlagene Experiment mit bereits existierenden Aufbauten durchführbar ist, zum Beispiel unter Ausnutzung der zirkularen Polarisation, die FLASH am DESY in Hamburg bietet.
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