Neues Material für Energiespeicher und Optoelektronik
„GTUB3“ stellt den ersten mikroporösen, metallorganischen Feststoff dar, der leitfähig und photolumineszent ist
© Gündoğ Yücesan
Sie gelten als eine der spannendsten Stoffklassen der modernen Chemie – die „Metal-Organic Frameworks“ oder kurz MOFs. Diese Materialien bestehen aus Metallatomen, die direkt mit organischen Molekülen verbunden sind. „Früher wurden solche Kristallstrukturen nur wegen ihrer ästhetischen Schönheit geschätzt. Einige erinnern tatsächlich an marokkanische Fliesen“, erzählt Dr. Gündoğ Yücesan von der Fakultät III Prozesswissenschaften der TU Berlin. „Heute sind sie interessant wegen der vielen Hohlräume, die mikroporöse MOFs zu idealen Speichermedien machen, und deren großer Oberfläche, die Reaktionen erleichtert.“
Modulare Bauweise
Vor allem lassen sich neue Verbindungen in dieser Stoffklasse sehr systematisch entwickeln, weil die Moleküle modulartig aufgebaut sind. Anorganischen Baueinheiten – die sogenannten IBUs – werden dabei über langkettige organische Verstrebungen – die Linker – miteinander verbunden. Auf diese Weise können großräumige, elementare Strukturen gebildet werden, die sich dann entweder in Schichten oder als Bausteine gestapelt wiederholen und so Kristalle bilden.
Hitzebeständig und chemisch stabil
Während es bereits über 100.000 MOFs gibt, sind trotzdem weite Bereiche dieses Forschungsfelds noch wenig bearbeitet. „Vor allem von den mikroporösen MOFs, die Phosphor enthalten, gibt es bisher weniger als 50“, sagt Yücesan. „Sie haben unser Interesse geweckt, weil die ersten bekannten Phosphor-MOFs sich als thermisch und chemisch sehr stabil herausstellten.“ Ideale Eigenschaften für das Material von Elektroden, die es in Elektrolyten oder gar Säuren lange Zeit aushalten müssen, auch wenn es bei den dort stattfindenden Reaktionen heiß wird.
Leitfähig in allen drei Raumrichtungen
Das große Problem: MOFs sind im Allgemeinen Isolatoren – eine schlechte Grundeigenschaft für Elektroden, durch die ja Ladungsträger fließen sollen. Yücesan und sein Team haben daher bereits 2020 in Zusammenarbeit mit weiteren Universitäten und Forschungsinstituten zwei mikroporöse Phosphor-MOFs mit höherer Leitfähigkeit designt, „TUB75“ und „TUB40“, benannt nach der TU Berlin. Mit GTUB3 wird nun auch die beteiligte Gebze Technical University in der Türkei im Namen geehrt. Die neue Verbindung enthält neben Phosphonsäure unter anderem die Metalle Kupfer und Zink sowie das aus vier Kohlenstoff-Ringen bestehende Porphyrin. Alle Ausgangsstoffe sind damit preiswert, in großen Mengen vorhanden und ungiftig für Mensch und Umwelt. Der Halbleiter GTUB3 ist im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern in allen drei Raumrichtungen gleich gut leitfähig und temperaturbeständig bis 400 Grad Celsius.
Einsatz in Superkondensatoren für Autos, Busse und Bahnen
Ein großes Potenzial von GTUB3 sieht Gündoğ Yücesan bei der Verbesserung von Superkondensatoren, wie sie zur kurzfristigen Stromspeicherung bei der Rückgewinnung von Bremsenergie in Bussen und Bahnen und auch bei manchen Autos eingesetzt werden. Diese Superkondensatoren sind elektrochemische Energiespeicher mit sehr hoher Leistungsdichte, die um ein Vielfaches schneller geladen werden können als herkömmliche Akkus. Allerdings speichern sie weit weniger Energie als Akkus gleicher Masse. Neue Elektrodenmaterialien – wie zum Beispiel GTUB3 – sollen diesen Abstand verringern. „Die neue Verbindung ist zudem geeignet für die in der Industrie häufig verwendeten Dünnschicht-Verfahren zum Auftrag auf Trägermaterialien“, erklärt Yücesan.
Eigenschaften auch für LED und Solarzellen interessant
Quasi als Draufgabe ist GTUB3 auch noch photolumineszent, sendet also selbst Licht aus nach Bestrahlung. Diese Eigenschaft ist essenziell für die Funktionsweise sowohl von Leuchtdioden (LED) wie auch von Solarzellen. Solch eine Vielfalt von guten Eigenschaften mache das neue Material zu einem idealen Startpunkt für die Entwicklung einer ganzen Familie von MOFs auf Phosphorbasis, freut sich Yücesan. „Phosphonsäure hat zudem eine große Anzahl von Bindungsmöglichkeiten an Metalle, das lässt uns viel Freiheit bei der Entwicklungsarbeit.“ Auf die Keimzelle dieser Familie, GTUB3, hat die TU Berlin bereits ein Patent angemeldet.