Neuartige Vliesstoffe leiten elektrischen Strom, aber keine Wärme

Hohes technologisches Potenzial

06.04.2023 - Deutschland

Forscher*innen der Universität Bayreuth stellen in "Science Advances" neuartige Vliesstoffe vor, die eine ungewöhnliche Kombination aus hoher elektrischer Leitfähigkeit und extrem niedriger Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Die Vliese stellen einen Durchbruch in der Materialforschung dar: Mit einem einfach zu realisierenden Materialkonzept ist es gelungen, elektrische und thermische Leitfähigkeit zu entkoppeln. Die Vliese werden aus Kohlenstoff und siliziumbasierter Keramik im Elektrospinnverfahren hergestellt und sind attraktiv für technologische Anwendungen, zum Beispiel in der Energietechnik und Elektronik. Sie können kostengünstig im industriellen Maßstab hergestellt und verarbeitet werden.

UBT

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Fasern im neuen elektrogesponnenen Vliesstoff.

Normalerweise geht eine hohe elektrische Leitfähigkeit mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit und eine niedrige Wärmeleitfähigkeit mit einer niedrigen elektrischen Leitfähigkeit einher. In vielen High-Tech-Industrien besteht jedoch ein wachsendes Interesse an multifunktionalen Materialien, die eine gute elektrische Leitfähigkeit mit einer geringen Wärmeleitfähigkeit verbinden. Mit diesem strategischen Ziel wurden beispielsweise dichte anorganische Materialien, konjugierte Polymere und Legierungen entwickelt. Doch im Bereich der flexiblen, faltbaren Materialien ist es immer noch eine große Herausforderung, eine extrem niedrige Wärmeleitfähigkeit mit einer hohen elektrischen Leitfähigkeit zu kombinieren.

Das Forscherteam an der Universität Bayreuth hat jetzt ein innovatives Konzept entwickelt, um diese Herausforderung zu lösen: Neue elektrogesponnene Vliese werden aus Kohlenstoff und siliziumbasierter Keramik hergestellt, sie bestehen aus Fasern mit einem Durchmesser zwischen 500 und 600 Nanometern. Jede Faser enthält eine Matrix aus Kohlenstoff. Darin sind winzige Bereiche, die nur wenige Nanometer groß und mit Keramik gefüllt sind, gleichmäßig verteilt. Diese Keramikphasen bilden winzige "Inseln" im "Meer" der Kohlenstoffmatrix und haben entgegengesetzte, sich ergänzende Wirkungen. Die Kohlenstoffmatrix ermöglicht den Elektronentransport in den Fasern und damit eine hohe elektrische Leitfähigkeit, während die Keramikphasen die Ausbreitung von Wärmeenergie ebenso wirksam verhindern. Das liegt daran, dass die Grenzfläche zwischen der nanoskaligen Keramik und der Kohlenstoffmatrix sehr stark ist, während die Poren des Vliesstoffs sehr klein sind. Infolgedessen kommt es zu einer starken Streuung von Phononen, den kleinsten physikalischen Einheiten von Schwingungen, die durch thermische Energie verursacht werden. Ein kontinuierlicher gerichteter Wärmefluss findet nicht statt.

Wie ungewöhnlich die Kombination aus hoher elektrischer und extrem niedriger thermischer Leitfähigkeit ist, zeigt ein Vergleich mit rund 4.000 anderen Materialien aller Art, darunter Keramiken, Kohlenstoffe, natürliche Materialien, synthetische Polymere, Metalle, Gläser und verschiedene Verbundstoffe. Elektronentransport und thermische Energieisolierung sind bei dem neuen elektrogesponnenen Faserverbundwerkstoff stärker gekoppelt als bei den anderen Materialien.

"Unsere elektrogesponnenen Vliese vereinen hochattraktive multifunktionale Eigenschaften, die normalerweise auf verschiedene Materialklassen verteilt sind: hohe elektrische Leitfähigkeit, thermische Isolierung, wie man sie von Polymerschäumen kennt, sowie Nichtentflammbarkeit und Hitzebeständigkeit, wie sie für Keramiken charakteristisch sind. Die Fasern basieren auf einem einfachen Materialkonzept und wurden aus handelsüblichen Polymeren hergestellt," sagt Erstautor Dr. Xiaojian Liao, Postdoktorand für Makromolekulare Chemie an der Universität Bayreuth. "Wir sind überzeugt, dass sich unsere neuen Fasern für mehrere Anwendungsbereiche eignen: zum Beispiel in den Bereichen Energiemanagement, batteriebetriebene Elektromobilität, intelligente Textilien oder Luft- und Raumfahrt," sagt Prof. Dr. Seema Agarwal, Professorin für Makromolekulare Chemie an der Universität Bayreuth und eine der korrespondierenden Autor*innen der neuen Studie. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bayreuther Forschungsteam, mit Expertise in den Bereichen keramische Werkstoffe, Polymere, Elektrospinnen, Physikalische Chemie und Elektronenmikroskopie, hat diesen großen Forschungserfolg ermöglicht.

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