Eine Million Euro für neue chemische Systeme zur Umwandlung nachhaltiger Ressourcen

Forschungspreis der Werner Siemens-Stiftung

21.04.2023 - Deutschland

Im Ideenwettbewerb »Jahrhundertprojekt« der Werner Siemens-Stiftung (WSS) wurde das Team des Projekts ChemSysCon mit einer Million Schweizer Franken (1,017 Millionen Euro) prämiert. Ziel der Förderung ist es, neuartige Technologien für eine nachhaltige Ressourcennutzung zu entwickeln und zu etablieren. Im Projekt ChemSysCon entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Bundesanstalt für Materialforschung- und Prüfung BAM und des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP neue chemische Systeme zur Konversion nachhaltiger Ressourcen. Am Fraunhofer IAP wird Lignin – ein Nebenprodukt aus der Zellstoffindustrie – umgewandelt, um es stofflich nutzen zu können.

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Symbolbild

Das Projekt ist eines von sechs ausgewählten Vorschlägen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, die bei dem Ideenwettbewerb anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Werner Siemens-Stiftung eingereicht wurden. Insgesamt gab es 123 Projektvorschläge. »Die Vielfalt und die Qualität der Forschungsideen, der Enthusiasmus, die Zukunftsorientierung, der Optimismus und der Mut zum Risiko in den Ideen haben uns sehr begeistert«, erklärte die Werner Siemens-Stiftung.

Neue Chlorspeicher-Technologie ist kostengünstig und einfach zu handhaben

Eine wichtige Grundlage für das ausgezeichnete Projekt ist die von Professor Sebastian Hasenstab-Riedel von der Freien Universität Berlin entwickelte neue Chlorspeicher-Technologie. Chlor zählt zu den wichtigsten Grundchemikalien der Industrie, spielt eine große Rolle in der Synthese von mehr als der Hälfte aller Produkte der chemischen Industrie und beeinflusst somit wie kein anderes chemisches Element unser tägliches Leben. Die Chlorherstellung ist allerdings ein äußerst energieaufwändiger Prozess – in Deutschland ist die Produktion von jährlich ungefähr 5,5 Millionen Tonnen Chlor für mehr als zwei Prozent des gesamten elektrischen Energieverbrauchs verantwortlich. Zudem ist Chlorgas giftig, und die heute übliche Speicherung sowie der Transport bergen trotz zahlreicher Regulierungen ein hohes Gefährdungspotenzial. Forschende um Sebastian Hasenstab-Riedel haben für dieses Problem eine Lösung gefunden: Sie entwickelten einen sehr kostengünstigen chemischen Chlorspeicher, der Chlorgas in einer ionischen Flüssigkeit unter sehr niedrigem Energieaufwand bindet und einfach und sicher auch an der Luft handhabbar ist. Diese Technologie möchte das Team nun weiter entwickeln und zur Marktreife bringen. »Ein Vorteil wäre, dass sich künftig erneuerbare Energien noch besser zur Chlorherstellung nutzen ließen. Chlor könnte auch in Ländern mit hoher Sonneneinstrahlung erzeugt und sicher in andere Länder zur weiteren Nutzung verschifft werden«, erläutert Sebastian Hasenstab-Riedel.

Chemische Aufbereitung von Bioabfällen und Recycling von Elektronikschrott

Des Weiteren können diese neuartigen chlorbasierten ionischen Flüssigkeiten auch der chemischen Aufbereitung von Abfällen dienen. In einem WSS-Forschungszentrum möchte das Team diese und andere ionische Flüssigkeiten zur Umwandlung von Bioabfällen und Nebenprodukten wie Lignin verwenden, das bei der Papierherstellung anfällt. Professor Alexander Böker, Leiter des Fraunhofer IAP, erklärt: »Gegenwärtig wird Lignin meist verbrannt. In Zukunft könnte es zu neuen Grundchemikalien basierend auf nachwachsenden Rohstoffen umgewandelt werden. Wir wollen Lignin stofflich verwerten, um daraus beispielsweise Ionenaustauscher für die Wiedergewinnung von Edelmetallen und seltenen Erden zu entwickeln. Bisher werden diese aus herkömmlichen erdölbasierten Kunststoffen hergestellt.«

Des Weiteren wird das Team auch das Recycling von Elektronikschrott weiterentwickeln, um wichtige Edelmetalle oder Seltene Erden zurückzugewinnen. »Mithilfe von ionischen Flüssigkeiten wird der Elektroschrott zuerst energieschonend aufgelöst. Neuentwickelte ligninhaltige Trennmaterialien helfen danach dabei, die einzelnen Elemente isoliert und in reiner Form herauszulösen«, erklärt Dr. Franziska Emmerling von der BAM.

100 Millionen Schweizer Franken für WSS-Forschungszentrum

Die Preisverleihung für die sechs prämierten Teams findet im Rahmen eines Kolloquiums am 16. Juni 2023 in Luzern statt. Eines der sechs Projekte kann sich Hoffnung auf eine weitere Förderung in Höhe von 100 Millionen Schweizer Franken machen, über die Anfang 2024 entschieden wird. Die Mittel sollen dem Bau eines WSS-Forschungszentrums zugutekommen, in dem »Technologien für eine nachhaltige Ressourcennutzung« erforscht und entwickelt werden.

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