Forschende kultivieren Archaeen, die auf neuen Wegen Erdöl abbauen
Wie tief im Meeresboden Mikroorganismen Erdöl unschädlich machen
Woods Hole Oceanographic Institution
Hanna Zehnle
In der Nähe von Hydrothermalquellen, etwa im Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien, sind die mikrobiellen Gemeinschaften besonders aktiv. Das Team der Forschenden arbeitet seit vielen Jahren daran, diese Gemeinschaften zu entschlüsseln. Im Guaymas-Becken wird durch die Wärme aus dem Erdinneren abgelagertes organisches Material aufgeheizt, und zerfällt so zu Erdöl und Erdgas. Deren Bestandteile sind für Mikroorganismen die Hauptenergiequelle in einer ansonsten lebensfeindlichen Umwelt. In ihrer jüngsten Studie weisen die Forschenden Archaeen nach, die in der Lage sind, bei hohen Temperaturen ohne Sauerstoff mithilfe eines neuen Mechanismus Erdöl-Alkane abzubauen.
Alkane sind sehr stabile Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie sind ein natürlicher Bestandteil von Erdgas und Erdöl. Letzteres wird vom Menschen zu Treibstoffen wie Benzin und Kerosin weiterverarbeitet. In Folge von Unfällen bei der Förderung von Erdöl kommt es immer wieder zu Umweltkatastrophen, wie zum Beispiel bei der Havarie der Bohrplattform Deepwater Horizon, die aufgrund der giftigen Wirkung unter anderem flüssiger Alkane verheerende Schäden im Golf von Mexiko verursachte. Ist Sauerstoff vorhanden, bauen Mikroorganismen viele der Erdölbestandteile, vor allem Alkane, schnell ab. Ohne den reaktiven Sauerstoff ist der Abbau ungleich schwerer. Organismen, die diese Leistung vollbringen, sind weitgehend unerforscht. In den letzten Jahren gab es aber Hinweise darauf, dass Archaeen einen überraschenden Mechanismus dafür nutzen könnten. Er beruht auf neuen Varianten des Schlüsselenzyms der Methanogenese und des anaeroben Methanabbaus, der Methyl-Coenzym-M-Reduktase (MCR). Die diese Enzyme kodierenden Gene wurden schon in vielen Umweltproben gefunden. Noch fehlten aber Kulturen der Mikroben im Labor, um festzustellen, was diese Enzyme leisten. Hier setzt die Laborstudie von Hanna Zehnle und ihren Kolleg:innen an.
Dafür hat das Team Sediment aus dem 2000 Meter tiefen Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien genutzt. Hier finden sich aufgrund von geologischen Besonderheiten hohe Temperaturen, flüssige Erdölbestandteile und anaerobe Bedingungen in geringeren Sedimenttiefen, wie sie sonst nur in tiefliegenden Ölreservoirs zu finden und somit für Forschende deutlich schwieriger erreichbar sind.
Im Bremer Labor haben die Forschenden Kulturen mit flüssigen Alkanen angesetzt und ohne Sauerstoff, also anaerob, bei hohen Temperaturen (70 Grad Celsius) wachsen lassen. „In den Kulturen“, erklärt Erstautorin Hanna Zehnle, „entsteht nach einer Zeit Sulfid. Das gilt als Beweis, dass sie aktiv sind.“ Anhand von DNA- und RNA-Proben wird die Zusammensetzung der Kulturen untersucht. „Wir möchten so herausfinden, welche Organismen in diesem System leben und welche Stoffwechselwege sie nutzen“, erklärt Zehnle. Dazu zählen chemische Reaktionen, bei denen Stoffe umgewandelt werden. In den Kulturen fanden sich Archaeen der Gattung Candidatus Alkanophaga. Diese nutzen Varianten der MCR für den Alkan-Abbau. Das belegten die Forschenden durch Transkriptomdaten, Messungen des Produkts des Enzyms und durch die nachgewiesene Inaktivität der Kulturen bei Hemmung des Enzyms. Alleine können sie das Erdöl aber nicht abbauen. Die Atmung, hier in Form von Sulfatreduktion (da kein Sauerstoff vorhanden ist), übernehmen Bakterien der Gattung Thermodesulfobacterium, die dichte Konsortien mit den Archaeen formen.
Die Methanogenese ist einer der ältesten bekannten Stoffwechselprozesse und Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Die Laborstudie von Hanna Zehnle und ihren Kolleg:innen zeigt, dass die beteiligten Enzyme auch auf flüssige und damit toxische Kohlenwasserstoffe wirken können, was die Bedeutung dieses Stoffwechselweges für den globalen Kohlenstoffkreislauf zeigt.
„Dank ihrer neuentdeckten Fähigkeiten haben es Alkanophaga und ihre Verwandten auf die Kohlenwasserstoffe in den Ölreservoirs abgesehen. Das restliche Öl wird immer fester und verbleibt so im Meeresboden“, erläutert Gunter Wegener, der Seniorautor der Studie. „Noch haben wir keine tiefen Ölreservoirs untersuchen können – aber damit ärgern die Archaeen sicher die Ölindustrie. Sie leisten aber auch einen wichtigen Beitrag dafür, dass natürliche Ölaustritte selten sind.“