Neues Glas mit sehr hoher Bruchfestigkeit

18.08.2023 - Deutschland
UBT / Chr. Wißler

Dr. Hu Tang, Erstautor der Studie, vor einer Hochdruckpresse im Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.

Forscher der Universität Bayreuth haben gemeinsam mit Partnern in China und den USA ein Oxidglas mit bisher unerreichter Bruchfestigkeit hergestellt. Unter hohen Drücken und Temperaturen ist es ihnen gelungen, ein Aluminosilikatglas parakristallisieren zu lassen. Die dadurch entstandenen kristallähnlichen Strukturen bewirken, dass das Glas sehr hohen Belastungen standhält, und bleiben unter normalen Umgebungsbedingungen erhalten. Die Parakristallisation erweist sich damit als vielversprechendes Verfahren zur Herstellung extrem bruchfester Gläser. In "Nature Materials" stellen die Forscher ihre Ergebnisse vor, an denen auch das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg beteiligt war.

Hu Tang

Simulierte Struktur von glasartigem (li.) und parakristallinem (re.) Grossular, einem Silikat. Die Atome der Elemente O, Si, Al und Ca (von klein bis groß) sind desto heller eingefärbt, je höher der Grad der Ordnung in der umgebenden Struktur ist.

Glas ist in vieler Hinsicht ein attraktiver Werkstoff für moderne Technologien. Allerdings schränkt seine Sprödigkeit, die leicht zu Rissen und Brüchen führt, seine Anwendungsmöglichkeiten ein. Forschungsansätze mit der Absicht, die Bruchfestigkeit von Glas unter Beibehaltung seiner vorteilhaften Eigenschaften stark zu erhöhen, haben bisher größtenteils nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Der in „Nature Materials“ vorgestellte neue Ansatz geht von Oxidgläsern aus, die eine eher ungeordnete innere Struktur aufweisen. Sie zählen zu den am häufigsten kommerziell genutzten Glasmaterialien. Am Beispiel eines Aluminosilikatglases, das Silizium, Aluminium, Bor und Sauerstoff enthält, ist es dem Forscherteam in Deutschland und China gelungen, dem Oxidglas eine neue Struktur zu geben. Dazu nutzten sie Hochdruck- und Hochtemperaturtechnologien am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth.

Bei einem Druck zwischen 10 und 15 Gigapascal und einer Temperatur von etwa 1.000 Grad Celsius gruppierten sich die Silizium-, Aluminium-, Bor- und Sauerstoffatome zu kristallähnlichen Strukturen. Diese Strukturen werden als "parakristallin" bezeichnet, weil sie sich deutlich von einer völlig unregelmäßigen Struktur unterscheiden, aber nicht die völlig regelmäßige Struktur von Kristallen haben. Sowohl empirische Analysen mit Hilfe spektroskopischer Techniken als auch theoretische Berechnungen zeigten deutlich diesen Zwischenzustand zwischen Kristallstrukturen und amorpher Unregelmäßigkeit. Selbst nach einem Druck- und Temperaturabfall auf normale Umgebungsbedingungen bleiben die parakristallinen Strukturen im Aluminosilikatglas erhalten. Die Durchdringung des Glases mit diesen Strukturen führt dazu, dass die Bruchfestigkeit des Glases um ein Vielfaches höher ist als vor der Parakristallisation. Sie erreicht nun einen Wert von bis zu 1,99 ± 0,06 MPa (m)¹/². Dies ist eine nie zuvor für Oxidgläser gemessene Bruchfestigkeit. Gleichzeitig wird die Transparenz des Glases durch die parakristallinen Strukturen nicht ernsthaft beeinträchtigt.

Die außergewöhnliche Festigkeit des Glases erklären die Forscher damit, dass von außen auf das Glas einwirkende Kräfte, die normalerweise zu Brüchen oder inneren Rissen führen würden, sich vor allem gegen die parakristallinen Strukturen richten. Sie lösen Teilbereiche dieser Strukturen auf und überführen sie wieder in einen amorphen, zufälligen Zustand. Auf diese Weise erhält das Glas insgesamt eine größere innere Plastizität, so dass es nicht bricht oder reißt, wenn es von außen sehr starken Kräften ausgesetzt ist.

"Unsere Entdeckung weist auf eine wirksame Strategie für die Entwicklung hochgradig schadenstoleranter Glasmaterialien hin, die wir in den kommenden Jahren mit unserer Forschung weiter verfolgen wollen", sagt Dr. Hu Tang, Erstautor der neuen Studie. "Die Erhöhung der Bruchfestigkeit durch Parakristallisation zeigt, dass strukturelle Veränderungen auf atomarer Ebene einen erheblichen Einfluss auf die Eigenschaften von Oxidgläsern haben können. Hier liegt ein großes Optimierungspotenzial für den Werkstoff Glas, das noch lange nicht ausgeschöpft ist", ergänzt Prof. Dr. Tomoo Katsura vom Bayerischen Geoinstitut (BGI).

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