Mit Computerspiel-Technologie zu neuen Materialien und neuen Wirkstoffen gegen Krankheiten

Molekulare Zusammenhänge auf die große Leinwand der virtuellen Realität bringen

16.11.2023
H-BRS

Die H-BRS besitzt langjährige Expertise in der wissenschaftlichen Visualisierung großer Datenmengen und der Erkennung von enthaltenen Mustern.

Die bio-chemische Forschung ist zunehmend auf akkurate Computermodellierung und -analyse angewiesen. Dafür müssen so unterschiedliche Fachgebiete wie Naturwissenschaften, Informatik und Ingenieurwissenschaften Hand in Hand arbeiten. An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) hat sich eine Forschungsgruppe etabliert, die die vorhandene Expertise bei Visual Computing, Biomedizin und Materialwissenschaften zusammenführt. Mit ihren computergestützten Modellen will die Gruppe molekulare Zusammenhänge auf die große Leinwand der virtuellen Realität bringen – und so unerwartete Einsichten ermöglichen.

Es ist eine Revolution, die computerbasierte Modellierungen in den Lebenswissenschaften entfacht haben. Hochgradig komplexe biochemische Vorgänge etwa in Menschen, Tieren oder Pflanzen können bis auf die atomare Ebene veranschaulicht und analysiert werden. Die molekulare Modellierung ist heute ein anerkannter und überaus fruchtbarer Teil der Forschung. Computergestütztes Herangehen erlaubt es zudem, Verläufe vorherzusagen – eine Hilfe von unschätzbarem Wert etwa bei der Erforschung von Wirkstoffen oder Krankheiten wie Krebs.

An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat sich eine Forschungsgruppe gebildet, die mit Hilfe dieser Technologie Antworten finden will auf gesellschaftlich relevante Forschungsfragen, die mit laborexperimentellen Methoden alleine schwer oder gar nicht zugänglich sind.

Damit vernetzt die Kooperation die drei Hochschulforschungsinstitute IVC, IFGA und TREE. Das Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, durch die Kombination des Erfahrungswissens aus verschiedenen Fachgebieten neue Themenfelder zu erschließen und neue Analysewerkzeuge zu entwickeln. Im Mittelpunkt sollen materialwissenschaftliche und biochemische Fragestellungen stehen, die mit Hilfe der molekularen Modellierung effizient untersuchen werden können.

Das Kürzel UMMBAS, das die Gruppe dem Forschungsprojekt gegeben hat, trägt dem Rechnung. Es steht für „Utilization of Molecular Modelling for Bio-Chemical Application Scenarios“. Das erste Themenfeld, das die Forschungsgruppe sich vorgenommen hat, ist die Erforschung der Familie der Myosine. Diese Proteine kommen in Muskelzellen vor und sind mit zuständig für Bewegung. Fehlfunktionen stehen in Zusammenhang mit schweren Krankheiten wie etwa Herzkrankheiten oder neurologischen Störungen.

Eine Schlüsselrolle wird dabei die dreidimensionale Visualisierung der Vorgänge auf der atomaren Ebene haben. Das Institut für Visual Computing (IVC) der H-BRS verfügt über umfassende Expertise bei der bildlichen Darstellung großer Datenmengen, Verarbeitung von Sensordaten und der Erkennung von enthaltenen Mustern und Strukturen. Neben dem IVC sind es das Institut für funktionale Genanalytik (IFGA) und das Institut für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz (TREE), die das UMMBAS-Vorhaben gemeinsam ins Leben gerufen haben.

„Damit treibt das Vorhaben die Digitalisierung der Wissenschaft an der H-BRS weiter voran“, sagt Matthias Preller, Professor für Strukturbiologie und chemische Analytik und Sprecher des UMMBAS-Projekts. „Wir werden Wirkstoffe und Materialien passgenauer und effizienter kollaborativ innerhalb der Hochschule und mit externen Partnern entwickeln – ohne Beschränkungen des Standortes und über klassische Disziplinen hinaus.“

Einen neuartigen Ansatz verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der H-BRS mit der Idee, aus den zu analysierenden Daten hochgradig detaillierte dreidimensionale Modelle zu bilden und diese simultan mit weiteren Nutzern zu bearbeiten, die sich an anderen Standorten aufhalten. „Verteilte immersive VR-Umgebung“ nennt sich das Konzept, das für die ortsunabhängige Zusammenarbeit viele Vorteile bietet, aber im Hinblick auf biochemische Fragestellungen kaum erforscht ist. Bekannt ist das Konzept der verteilten virtuellen Umgebung aus der Welt der Computerspiele, wo sich auch bereits Konzepte für kooperative Interaktionen etabliert haben. Auf dem Gebiet der Verknüpfung wissenschaftlicher Visualisierung mit Computerspiel-Technologie verfügt die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg über besondere Erfahrung, die durch Professor Wolfgang Heiden in das UMMBAS-Projekt eingebracht wird.

Die Software für die verteilten virtuellen Umgebungen, die im Rahmen des UMMBAS-Projekts entsteht, soll auf längere Sicht der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Kurzfristig versprechen sich die Projektbeteiligten einen naheliegenden Nutzen: Die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulstandorten Sankt Augustin und Rheinbach könnte umfangreich davon profitieren.

Das Projekt wird durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW gefördert.

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