Weihnachtsgeld: Beschäftigte in der chemischen Industrie profitieren am meisten

Große Unterschiede bei der Höhe des tarifvertraglichen Weihnachtsgeldes

21.11.2023
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Symbolbild

Weihnachtsgeld ist für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiger Beitrag zur Haushaltskasse vor den Festtagen – erst recht in Zeiten nach wie vor hoher Inflation. Doch lediglich gut die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland kann sich darauf freuen, in diesen Tagen die Sonderzahlung zu bekommen. Den größten Unterschied macht, ob Beschäftigte nach Tarifvertrag bezahlt werden oder nicht: Von den Beschäftigten mit Tarif bekommen 77 Prozent Weihnachtsgeld – fast doppelt so viele wie in Betrieben ohne Tarifvertrag, wo lediglich 42 Prozent der Beschäftigten eine solche Zahlung erhalten. Das ist das Ergebnis einer neuen Auswertung des Internetportals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Sie beruht auf einer Online-Befragung, an der sich zwischen Anfang November 2022 und Ende Oktober 2023 mehr als 40.000 Beschäftigte beteiligt haben (mehr Informationen zum Datensatz unten).

Die Zahlung von Weihnachtsgeld wird entweder durch Tarifverträge geregelt oder beruht auf „freiwilligen“ Leistungen des Arbeitgebers, die bei mehrjährigen Wiederholungen auch zum Gewohnheitsrecht werden können und damit verpflichtend sind. In der Praxis wird jedoch in Unternehmen ohne Tarifvertrag deutlich seltener Weihnachtsgeld ausgezahlt, denn den festen tariflichen Anspruch auf Weihnachtsgeld haben Gewerkschaften und ihre Mitglieder schließlich über Jahrzehnte durchgesetzt. Gleichzeitig ist auch die monatliche Grundvergütung in tariflosen Betrieben im Durchschnitt niedriger, sodass die Beschäftigten hier doppelt im Nachteil sind. Wichtig zu wissen: In der Online-Umfrage von Lohnspiegel.de werden die Beschäftigten explizit danach gefragt, ob sie Weihnachtsgeld erhalten. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt hingegen in einer eigenen Auswertung alle Jahressonderzahlungen mit Auszahlung im November beziehungsweise Dezember und kommt regelmäßig zu dem Ergebnis, dass ein noch höherer Anteil der Tarifbeschäftigten hiervon profitiert.

„Auch wenn die Preisschübe in den letzten Monaten nachgelassen haben, ist das Weihnachtsgeld für viele Beschäftigte nach wie vor sehr wichtig“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Die dauerhaft gestiegenen Lebenshaltungskosten bleiben insbesondere im Niedriglohnsektor eine finanzielle Herausforderung. Mit Tarifvertrag bestehen in der Regel deutlich bessere Voraussetzungen, damit zurechtzukommen.“

Weihnachtsgeld für verschiedene Beschäftigtengruppen

Neben der Tarifbindung lassen sich eine Reihe weiterer Merkmale identifizieren, die die Chancen auf Weihnachtsgeld beeinflussen:

  • West/Ost: Nach wie vor gibt es bedeutsame Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. In Westdeutschland bekommen 55 Prozent, in Ostdeutschland nur 43 Prozent der Befragten Weihnachtsgeld. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Tarifbindung in Ostdeutschland deutlich niedriger ist als im Westen.
  • Vollzeit/Teilzeit: Unterschiede existieren auch hinsichtlich des Beschäftigtenstatus: Bei Vollzeitbeschäftigten ist der Erhalt von Weihnachtsgeld mit 54 Prozent etwas verbreiteter als bei Teilzeitbeschäftigten, von denen 49 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen.
  • Befristet/unbefristet: Ähnlich ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Beschäftigten mit einem befristeten oder einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Während lediglich 48 Prozent der Befragten mit Befristung Weihnachtsgeld erhalten, sind es bei den Unbefristeten 54 Prozent.
  • Männer/Frauen: Männer erhalten mit 55 Prozent immer noch etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen, von denen 51 Prozent diese Sonderzahlung bekommen.

Große Unterschiede bei der Höhe des tarifvertraglichen Weihnachtsgeldes

In den meisten großen Tarifbranchen existieren gültige tarifvertragliche Bestimmungen zum Weihnachtsgeld oder einer ähnlichen Sonderzahlung, die zum Jahresende fällig wird. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs von 24 großen Branchen. Die Höhe der tarifvertraglich vereinbarten Sonderzahlung unterscheidet sich dabei erheblich: Bei den mittleren Entgeltgruppen reicht sie von 250 Euro in der Landwirtschaft bis zu 3.836 Euro in der Chemischen Industrie. Nur wenige Branchen haben beim Weihnachtsgeld einen Pauschalbetrag festgelegt. In den meisten Fällen wird das Weihnachtsgeld als fester Prozentsatz vom Monatsentgelt berechnet. In Branchen, in denen für 2023 höhere Tarifentgelte vereinbart wurden, hat sich auch das Weihnachtsgeld entsprechend erhöht.

Ein klassisches 13. Monatsentgelt im Sinne einer Sonderzahlung von 100 Prozent eines Monatsentgeltes erhalten die Beschäftigten in der Chemischen Industrie, Teilen der Energiewirtschaft, in der Süßwarenindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, im Bankgewerbe sowie in einzelnen westdeutschen Tarifregionen der Textilindustrie und dem privaten Transport- und Verkehrsgewerbe. In der Eisen- und Stahlindustrie werden sogar 110 Prozent eines Monatsentgeltes gezahlt, wobei hier Weihnachts- und Urlaubsgeld zu einer Jahressonderzahlung zusammengelegt wurden.

Mit 95 Prozent eines Monatsentgeltes liegt das Weihnachtsgeld in der Druckindustrie und in der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie leicht unterhalb eines vollen 13. Monatsentgeltes. Im Versicherungsgewerbe werden 80 Prozent eines Monatsgehalts gezahlt, im Einzelhandel in den westdeutschen Tarifbereichen vorwiegend 62,5 Prozent, in den Tarifgebieten der westdeutschen Metallindustrie überwiegend zwischen 25 und 55 Prozent und im Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern 50 Prozent. Im öffentlichen Dienst (Gemeinden) beträgt die Jahressonderzahlung, die an die Stelle des früher üblichen Weihnachts- und Urlaubsgeldes getreten ist, je nach Vergütungsgruppe zwischen 52 und 85 Prozent des Monatsentgeltes.

Zwischen den ost- und westdeutschen Tarifgebieten bestehen in einigen Branchen nach wir vor erhebliche Unterschiede. Ein (annähernd) gleich hohes Weihnachtsgeld wird im Bank- und Versicherungsgewerbe, in der Eisen- und Stahlindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, in der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie (Arbeiter), dem Kfz-Gewerbe, im öffentlichen Dienst (Gemeinden) und der Landwirtschaft gezahlt. In anderen Branchen können die Unterschiede mehrere hundert Euro, in Einzelfällen wie im Bauhauptgewerbe auch noch über tausend Euro ausmachen.

Unter den großen Wirtschaftszweigen sind Tarifbranchen ohne Weihnachtsgeld oder eine vergleichbare Sonderzahlung die Ausnahme. Nach wie vor kein Weihnachtsgeld gibt es im Gebäudereinigungshandwerk. Das gleiche gilt für das ostdeutsche Bewachungsgewerbe, während in einigen westdeutschen Regionen das Weihnachtsgeld erst ab einer bestimmten Anzahl von Berufsjahren gezahlt wird.

Als teilweiser Ausgleich für das fehlende Weihnachtsgeld wurde im Gebäudereinigungshandwerk für die Jahre 2021 bis 2023 erstmals ein so genannter „Weihnachtsbonus“ vereinbart. Hierbei können die Beschäftigten zwischen einem Zuschlag von 150 Prozent auf den Stundenlohn für ihre am 24.12. oder am 31.12. geleistete Arbeit oder einer bezahlten Freistellung am 24.12. oder am 31.12. wählen.

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