Zwei Dirigenten für eine chemische Reaktion
Live bei der Reaktion zusehen
TU Wien
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Katalysatoren braucht man für unzählige chemische Technologien – von der Abgasreinigung bis zur Herstellung wertvoller Chemikalien und Energieträger. Oft werden dabei auch noch winzige Spuren anderer Substanzen verwendet, die den Katalysator erst richtig effektiv machen. Man bezeichnet sie als „Promotoren“. Sie spielen in der Technik eine wichtige Rolle, sind aber notorisch schwer zu untersuchen.
Meist kann man nur durch Versuch und Irrtum herausfinden, welche Menge welcher Promotoren welche Wirkung hat. Nun gelang es an der TU Wien, die Rolle von Lanthan-Promotoren bei der Wasserstoff-Oxidation direkt zu beobachten. Die Rolle einzelner Lanthan-Atome wird mit High-Tech-Methoden sichtbar gemacht. Dabei zeigte sich: Zwei Oberflächenbereiche des Katalysators sind Taktgeber, ähnlich wie Dirigenten beim Orchester. Der Promotor spielt dabei eine entscheidende Rolle bei ihrer Interaktion – er steuert die Taktgeber. Das Ergebnis wurde nun im Fachjournal „Nature Communications“ publiziert.
Live bei der Reaktion zusehen
„Bei vielen chemischen Prozessen verwendet man Katalysatoren, die in Form winziger Nanopartikel vorliegen“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Die Leistungsfähigkeit von Katalysatoren lässt sich leicht über Produktanalyse ermitteln, mikroskopische Einblicke gewinnt man dadurch aber nicht.
Das ist heute anders: Günther Rupprechter hat mit seinem Team über Jahre hinweg Methoden entwickelt, mit denen man sogar einzelne Nanopartikel direkt während der chemischen Reaktion beobachten kann. Dabei zeigt sich, wie sich die Aktivität an unterschiedlichen Stellen dieser Nanopartikel während des Reaktionsablaufs ändert.
„Wir verwenden Rhodium-Nanospitzen, die sich wie Nanopartikel verhalten“, sagt Günther Rupprechter. „Sie können zum Beispiel als Katalysator dienen, wenn man Wasserstoff und Sauerstoff zu Wassermolekülen vereint – das ist die Reaktion, die wir im Detail untersuchen.“
Pendeln zwischen „aktiv“ und „inaktiv“
Schon in den vergangenen Jahren fand das Team an der TU Wien heraus, dass unterschiedliche Abschnitte der Nanopartikel-Oberfläche unterschiedliches Verhalten zeigen: Sie oszillieren zwischen einem aktiven und einem inaktiven Zustand hin und her. Mal findet an einem bestimmten Punkt die gewünschte chemische Reaktion statt, dann wieder nicht.
Mit speziellen Mikroskopen konnte man nachweisen: Auf jedem Nanopartikel finden verschiedene solche Oszillationen statt – und sie alle beeinflussen einander. Bestimmte Abschnitte der Nanopartikel-Oberfläche, die oft nur eine Breite von wenigen Atomdurchmessern haben, spielen dabei eine bedeutsamere Rolle als andere: Sie sind besonders effiziente „Taktgeber“ und steuern sogar die chemischen Oszillationen anderer Abschnitte.
In dieses Taktgeben können nun Promotoren eingreifen – und genau das ließ sich nun mit den an der TU Wien entwickelten Methoden untersuchen. Wenn man Rhodium als Katalysator verwendet, kann Lanthan als Promotor für katalytische Reaktionen dienen. Daher platzierte man einzelne Lanthan-Atome auf der winzigen Oberfläche eines Rhodium-Nanopartikels. Ein und derselbe Partikel konnte dadurch einmal mit und einmal ohne Promotor vermessen werden. So kann man im Detail sehen, welchen Effekt einzelne Lanthan-Atome auf den Ablauf der chemischen Reaktion haben.
Mit Lanthan ist alles anders
Maximilian Raab, Johannes Zeininger und Carla Weigl haben die Experimente durchgeführt. „Der Unterschied ist enorm“, sagt Maximilian Raab. „Ein Lanthan-Atom kann Sauerstoff binden, und das ändert die Dynamik der katalytischen Reaktion.“ Durch die winzige Menge Lanthan wird die Kopplung zwischen den unterschiedlichen Bereichen des Nanopartikels verändert.
„Das Lanthan kann bestimmte Taktgeber selektiv ausschalten“, erklärt Johannes Zeininger: „Stellen wir uns vor, ein Orchester hat zwei Dirigenten – da werden wir ziemlich komplexe Musik zu hören bekommen. Der Promotor sorgt dafür, dass es nur noch einen Taktgeber gibt, dadurch wird die Situation einfacher und geordneter.“
Zusätzlich zu den Messungen entwickelte das Team, weiter verstärkt durch Alexander Genest und Yuri Suchorski, auch ein mathematisches Modell, mit dem man die Kopplungen zwischen den einzelnen Bereichen des Nanopartikels simulieren kann. So ergibt sich eine neue leistungsfähige Herangehensweise, chemische Katalyse viel präziser als bisher zu beschreiben: Nicht nur auf Basis von Input und Output, sondern in einem komplexen Modell, das berücksichtigt, wie unterschiedliche Bereiche des Katalysators zwischen Aktivität und Inaktivität hin und her wechseln und sich dabei – gesteuert von Promotoren – gegenseitig beeinflussen.