Physiker erzeugen riesige Trilobiten-Moleküle

Ergebnisse sind wichtig, um ihre chemischen Bindungsmechanismen zu verstehen, die sich von allen anderen chemischen Bindungen unterscheiden

04.01.2024
RPTU, Koziel

Das Team um Professor Herwig Ott (li.) und Max Althön haben die Trilobiten-Moleküle erzeugt.

Kaiserslauterer Physikern um Professor Dr. Herwig Ott ist es erstmals gelungen, Trilobiten-Moleküle direkt zu beobachten. Diese sehr großen Moleküle haben ihren Namen wegen ihrer Ähnlichkeit mit fossilen Trilobiten. Aufgrund ihrer Größe haben sie die größten elektrischen Dipolmomente aller bisher bekannten Moleküle. Die Forscher haben eine spezielle Apparatur genutzt, mit der sich diese fragilen Moleküle bei extrem niedrigen Temperaturen erzeugen lassen. Die Ergebnisse sind wichtig, um ihre chemischen Bindungsmechanismen zu verstehen, die sich von allen anderen chemischen Bindungen unterscheiden. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Für ihr Experiment haben die Physiker eine Wolke aus Rubidium-Atomen verwendet, die im Ultrahochvakuum auf etwa 100 Mikrokelvin – 0,0001 Grad über dem absoluten Nullpunkt – abgekühlt wurde. Anschließend haben sie einige dieser Atome mit Lasern in einen sogenannten Rydberg-Zustand angeregt. „Dabei wird das jeweils äußerste Elektron in weit entfernte Bahnen um den Atomrumpf gebracht“, erklärt Professor Herwig Ott, der an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) zu ultrakalten Quantengasen und Quantenatomoptik forscht. „Der Bahnradius des Elektrons kann mehr als ein Mikrometer betragen, damit ist die Elektronenwolke größer als ein kleines Bakterium.“ Solche hochangeregten Atome bilden sich auch im interstellaren Raum und sind chemisch extrem reaktiv.

Befindet sich nun ein weiteres Atom innerhalb dieses riesigen Rydberg-Atoms, entsteht ein Molekül. Während herkömmliche chemische Bindungen entweder kovalent (Bindung über ein Elektronenpaar), ionisch (Bindung über positiv und negativ geladene Ionen), metallisch (frei bewegliche Elektronen) oder dipolarer Natur (Bindung durch Dipolkräfte) sind, werden die Trilobiten-Moleküle durch einen völlig anderen Mechanismus gebunden. „Es ist die quantenmechanische Streuung des Rydberg-Elektrons an dem Atom, die die beiden zusammenklebt“, sagt Max Althön, Erstautor der Studie. Althön weiter: „Stellen Sie sich vor, das Elektron umkreist den Atomkern in einer schnellen Umlaufbahn. Bei jeder Umrundung stößt es mit dem zweiten Atom zusammen. Im Gegensatz zu unserer Intuition lehrt uns die Quantenmechanik, dass es durch diese Kollisionen zu einer effektiven Anziehung zwischen dem Elektron und dem Atom kommt.“

Diese Moleküle besitzen erstaunliche Eigenschaften: Aufgrund der Wellennatur des Elektrons führen die Mehrfachkollisionen zu einem Interferenzmuster, das wie ein fossiler Trilobit aussieht. Außerdem ist die Bindungslänge des Moleküls so groß wie der Rydberg-Orbit – viel größer als bei jedem anderen zweiatomigen Molekül. Und weil das Elektron so stark von dem zweiten Atom angezogen wird, ist das permanente elektrische Dipolmoment mit mehr als 1700 Debye extrem groß.

Um diese Moleküle zu beobachten, haben die Wissenschaftler eine spezielle Vakuumapparatur entwickelt. Sie ermöglicht es, ultrakalte Atome durch Laserkühlung herzustellen und die Moleküle anschließend spektroskopisch nachzuweisen. Die Ergebnisse tragen zum Verständnis grundlegender Bindungsmechanismen zwischen Atomen im Grundzustand und Rydberg-Atomen bei, die in letzter Zeit auch zu einer Plattform für Quantencomputer-Anwendungen geworden sind. Die Entdeckung der Forscher ergänzt das Verständnis von Rydberg-Systemen, die exotisch und nützlich zugleich sein können.

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