Freisetzung von Oligomeren aus Polyester-Textilien
Wenn Nanoplastik keiner ist...
Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff und Kleider aus Kunstfasern setzen Mikroplastik frei: Partikel unter fünf Millimeter Grösse, die unbemerkt in die Umwelt gelangen können. Ein kleiner Teil dieser Partikel befindet sich gar im Nanometerbereich. Solcher Nanoplastik ist Gegenstand intensiver Forschung, denn aufgrund ihrer geringen Grösse können Nanoplastik-Teilchen in den menschlichen Körper aufgenommen werden – über ihre potenzielle Toxizität ist jedoch noch wenig bekannt.
Empa-Forschende aus der Gruppe von Bernd Nowack aus dem Labor «Technologie und Gesellschaft» haben nun gemeinsam mit Kollegen aus China Nanopartikel aus Textilien unter die Lupe genommen. Tong Yang, Erstautor der Studie, hat die Untersuchungen während seines Doktorats an der Empa durchgeführt. Bereits in früheren Studien konnten die Empa-Forscher zeigen, dass beim Waschen von Polyester Mikro- und Nanoplastik freigesetzt wird. Eine genaue Untersuchung der freigesetzten Nanopartikel hat nun ergeben, dass nicht alles, was auf den ersten Blich nach Nanoplastik aussieht, auch tatsächlich Nanoplastik ist.
Zu einem beträchtlichen Teil handelte es sich tatsächlich nicht um Nanoplastik, sondern um Klumpen von sogenannten Oligomeren, also kleinen bis mittelgrossen Moleküle, die eine Zwischenstufe zwischen den langen verketteten Polymeren und ihren Einzelbausteinen, den Monomeren, darstellen. Diese Moleküle sind noch kleiner als Nanoplastik-Partikel. Auch über ihre Toxizität ist kaum etwas bekannt. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden in der Zeitschrift «Nature Water».
Für die Studie haben die Forschenden zwölf unterschiedliche Polyesterstoffe untersucht, darunter etwa Mikrofaser, Satin und Jersey. Die Stoffproben wurden bis zu vier Mal gewaschen und die dabei freigesetzten Nanopartikel analysiert und charakterisiert. Keine einfache Aufgabe, sagt Bernd Nowack. «Plastik, vor allem Nanoplastik, ist überall, auch an unseren Geräten und Utensilien», so der Wissenschaftler. «Bei Nanoplastik-Messungen müssen wir dieses 'Hintergrundrauschen' berücksichtigen.»
Grosser Anteil löslicher Partikel
Um Nanoplastik von Oligomerklumpen zu unterscheiden, nutzten die Forschenden ein Ethanolbad. Plastikstückchen, egal wie klein, lösen sich darin nicht auf, Ansammlungen von Oligomeren dagegen schon. Der Befund: Rund ein Drittel bis knapp 90 Prozent der beim Waschen freigesetzten Nanopartikel liessen sich in Ethanol auflösen. «Dadurch konnten wir zeigen, dass nicht alles, was im ersten Moment nach Nanoplastik aussieht, auch Nanoplastik ist», sagt Nowack.
Ob die Freisetzung von «nanopartikulären» Oligomeren beim Waschen von Textilien negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hat, ist noch nicht klar. «Bei anderen Kunststoffen haben Studien bereits gezeigt, dass nanopartikuläre Oligomere toxischer sind als Nanoplastik», sagt Nowack. «Das ist ein Hinweis, dass man das genauer untersuchen sollte.» Die Forschenden konnten jedoch feststellen, dass die Beschaffenheit des Textils sowie die Schnittmethode – Schere oder Laser – keinen grossen Einfluss auf die Menge der freigesetzten Partikel haben.
Auch der Mechanismus der Freisetzung ist noch nicht geklärt – weder für Nanoplastik noch für die Oligomerpartikel. Die erfreuliche Nachricht ist, dass die Menge der freigesetzten Partikel mit wiederholten Waschgängen stark abnimmt. Denkbar wäre, dass die Oligomerpartikel bei der Herstellung des Textils entstehen oder sich durch chemische Prozesse bei der Lagerung von den Fasern abspalten. Auch hierzu sind weitere Studien notwendig.
Nowack und sein Team widmen sich jedoch vorerst wieder grösseren Partikeln: In einem nächsten Projekt wollen sie untersuchen, welche Fasern beim Waschen von Textilien aus nachwachsenden Rohstoffen freigesetzt werden und ob diese die Umwelt und die Gesundheit belasten könnten. «Halbsynthetische Textilien wie Viskose oder Lyocell werden als Ersatz für Polyester angepriesen», sagt Nowack. «Aber wir wissen noch gar nicht, ob sie wirklich besser sind, wenn es um die Freisetzung von Fasern geht.»