Evonik-Chef Kullmann: „Die vielen Krisen weltweit haben uns das Ergebnis verhagelt“

Zielstruktur für Umbauprogramm „Tailor Made“ steht: Weniger Führungsebenen, schnellere Entscheidungen - Weltweit sollen bis zu 2.000 Stellen entfallen

05.03.2024

Evonik hat im Jahr 2023 die im Sommer reduzierte Prognose trotz des anhaltend ungünstigen Umfelds erreicht. Das bereinigte EBITDA des Spezialchemiekonzerns lag bei 1,66 Milliarden € und damit innerhalb der angestrebten Spanne von 1,6 bis 1,8 Milliarden €. Der Konzernumsatz sank um 17 Prozent auf 15,3 Milliarden € und lag damit ebenso im Rahmen der avisierten 14 bis 16 Milliarden €. „Die vielen Krisen weltweit haben uns das Ergebnis verhagelt“, sagt Christian Kullmann, Vorsitzender des Vorstandes. „Insgesamt sind wir noch mit einem blauen Auge davongekommen. Das verdanken wir vor allem den großen Kraftanstrengungen aller Beschäftigten. Die Rahmenbedingungen werden jedoch nicht leichter, daher werden wir unseren grundlegenden Konzernumbau fortsetzen.“

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Der Fokus auf das Liquiditätsmanagement erwies sich als sehr erfolgreich. Auf Jahressicht lag der Free Cashflow bei 801 Millionen € und damit sogar noch über dem Vorjahreswert, vor allem dank umsichtigem Management des Nettoumlaufvermögens und Disziplin bei den Investitionen. Die Cash Conversion Rate, also das Verhältnis von Free Cashflow zum bereinigten EBITDA, erreichte starke 48 Prozent. Im Jahr 2022 hatte sie bei 32 Prozent gelegen. Die Auszahlungen für Sachinvestitionen wurden 2023 auf 793 Millionen € reduziert, nach 865 Millionen € im Jahr 2022. Durch ergebnissichernde Maßnahmen hat Evonik zudem 250 Millionen € eingespart und damit das für 2023 gesetzte Sparziel erreicht.

„In schwierigen Zeiten gilt es zuallererst, das Geld zusammenzuhalten“, sagt Maike Schuh, Finanzvorstand von Evonik. „Wir haben unsere Handlungshoheit bewahrt. Das war bisweilen schmerzhaft, aber es war auch erfolgreich. Daher werden wir diese Maßnahmen im laufenden Jahr fortsetzen.“

Der Vorstand wird der Hauptversammlung am 4. Juni vorschlagen, die jährliche Dividende unverändert bei 1,17 € je Aktie zu belassen. Dies entspricht einer hoch attraktiven Dividendenrendite von etwa 7 Prozent. „Kontinuität bei der Dividende spielt für unsere langfristig orientierten Anleger eine große Rolle“, sagt Schuh. „Der gute Free Cashflow erlaubt es uns, unserem Ruf als Top-Dividendentitel auch in schwierigem Umfeld treu zu bleiben.“

Die Verkaufsmengen reflektierten die ungünstigen Rahmenbedingungen. Sie sanken 2023 um 8 Prozent, die Preise um 3 Prozent. Unter dem Strich weist Evonik im Jahr 2023 ein Konzernergebnis von -465 Millionen € aus. Dieser Wert wurde von außergewöhnlich hohen Wertminderungen und Belastungen aus Strukturmaßnahmen geprägt, die bereits nahezu vollständig in den ersten drei Quartalen berücksichtigt wurden. Im Vorjahr hatte das Konzernergebnis 540 Millionen € betragen.

Für das Jahr 2024 erwartet Evonik bisher keine echte konjunkturelle Erholung. Sachinvestitionen werden auf etwa 750 Millionen € begrenzt. Das bereinigte EBITDA soll auf 1,7 bis 2,0 Milliarden € steigen, bei einem Umsatz von 15 bis 17 Milliarden €. Die Cash Conversion Rate dürfte bei etwa 40 Prozent liegen. 

„Wir dürfen uns auch bei leichten Erholungssignalen nichts vormachen: Was wir derzeit erleben, ist keine konjunkturelle Schwankung, sondern eine massive, konsequente Veränderung unseres wirtschaftlichen Umfelds“, sagt Kullmann. „Darauf reagieren wir mit einer dauerhaften Veränderung unserer Organisationsstruktur im Rahmen des Programms ‚Evonik Tailor Made‘.“

Zu Beginn wurden in den vergangenen Monaten zunächst sämtliche Strukturen und Abläufe im Unternehmen umfangreich analysiert. Die erste Phase ist jetzt abgeschlossen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird eine neue Zielorganisation entworfen, die bis Ende 2026 etabliert werden soll. Auf administrative Aktivitäten, die nicht direkt das Geschäft unterstützen, will Evonik künftig, wo immer möglich, verzichten. Zugleich werden wesentliche Aufgaben in der neuen Struktur konsequent gebündelt. Die Anzahl der Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands wird auf maximal sechs reduziert, zugleich werden Prüf- und Freigabeverfahren erheblich beschleunigt. Führungskräfte werden dann im Median sieben Beschäftigte führen, derzeit liegt die so genannte Führungsspanne noch bei eins zu vier. Dies gilt nicht nur für die Verwaltung, sondern für sämtliche Bereiche im Konzern.

Im Ergebnis wird Evonik damit schlanker, schneller und deutlich günstiger. Weltweit sollen bis zu 2.000 Stellen entfallen, davon überproportional viele Führungspositionen. Der größte Teil dieser Anpassung entfällt mit rund 1.500 Stellen auf Deutschland. Evonik rechnet damit, dass die jährlichen Kosten nach Abschluss des Programms 2026 um rund 400 Millionen € niedriger liegen werden. Diese Einsparungen entfallen zu rund 80 Prozent auf Personalkosten und zu rund 20 Prozent auf Sachkosten. Erste Effekte sollen sich bereits im laufenden Jahr positiv auswirken. 

„Wir haben für Evonik einen eigenen, maßgeschneiderten Weg ohne externe Berater gewählt, um unsere bestmögliche Aufstellung zu erreichen“, sagt Thomas Wessel, Personalvorstand und Arbeitsdirektor. „Es ist klar, dass unser Unternehmen in zwei Jahren anders aussehen wird – deutlich dynamischer und leistungsfähiger. Das erreichen wir auf dem guten Weg, den man bei Evonik kennt: gemeinsam in der Sache und fair im Umgang miteinander.“

Wie der geplante Stellenabbau im Detail sozialverträglich gestaltet wird, werden Vorstand und Mitbestimmung in den kommenden Wochen verhandeln.

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