Paritätsanomalie in topologischem Isolator nachgewiesen
Dr. Li-Xian Wang
Topologische Isolatoren sind Materialien, die elektrischen Strom leiten können, aber nur an ihrer Oberfläche oder an den Kanten. In ihrem Inneren fließt kein Strom. Sie werden weltweit intensiv erforscht, weil sie einzigartige elektronische Eigenschaften besitzen, die zum Beispiel für die Verbesserung der Effizienz von Quantencomputern und für andere Technologien interessant sind, etwa für die Verschlüsselung und sichere Übertragung von Daten.
In der Zeitschrift Advanced Science stellt ein Forschungsteam des Instituts für Topologische Isolatoren und des Instituts für Theoretische Physik und Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) nun einen ungewöhnlichen Quanten-Hall-Effekt vor. Er wurde an einem mikroskopisch kleinen Bauelement aus dem topologischen Isolatormaterial Quecksilber-Tellurid (HgTe) beobachtet.
Eindeutige experimentelle Beobachtung
In dem Bauelement verhalten sich die Elektronen an der oberen und unteren Oberfläche wie relativistische Dirac-Teilchen. Wie von der Teilchenphysik vorhergesagt, aber nicht experimentell bestätigt, sollten Dirac-Teilchen der sogenannten Paritätsanomalie unterliegen. In Festkörperexperimenten führt diese Anomalie zu einem als spektrale Asymmetrie bezeichneten Effekt, der als ungewöhnliche Änderung des elektrischen Widerstands gemessen werden kann.
„Das Auftreten der Paritätsanomalie in Festkörpern wird seit den 1980er-Jahren vorhergesagt. Eine berühmte Theorie ist das von Haldane (Nobelpreis für Physik 2016) vorgeschlagene Modell. Wir haben nun eine weitere Folge der Paritätsanomalie identifiziert, die als erste auch experimentell verifiziert wurde“, sagt Professorin Ewelina Hankiewicz.
Effekt ist nicht spezifisch für Quecksilber-Tellurid
Das JMU-Forschungsteam hat diese zweidimensionale Dirac-Physik auf einer einzigen Oberfläche des dreidimensionalen topologischen Isolators realisiert. „Wir beobachten einen unkonventionellen re-entranten Quanten-Hall-Effekt, der direkt mit dem Auftreten von spektraler Asymmetrie in einem einzigen topologischen Oberflächenzustand in Verbindung gebracht werden kann. Der Effekt ist nicht spezifisch für Quecksilber-Tellurid, sondern allgemein für jeden topologischen Isolator. Diese Universalität macht unsere Ergebnisse so spannend“, sagt Dr. Wouter Beugeling.
Für diese neuen Erkenntnisse waren zwei Herausforderungen zu bewältigen. Zum einen galt es, die Signatur der spektralen Asymmetrie unter den anderen Merkmalen des gemessenen elektrischen Widerstands zu identifizieren. Zum anderen war das Experiment so zu steuern, dass sich die Effekte der beiden Oberflächen nicht gegenseitig aufheben.
Hohes Maß an Kontrolle ermöglicht weitere Experimente
„Diese Beobachtung zeigt, dass wir mit dem hohen Maß an Kontrolle, das wir in diesem Bauelement haben, noch viel mehr interessante Aspekte zur Physik der topologischen Isolatoren erforschen können als bisher“, sagt Professor Laurens Molenkamp.
Ein Schlüsselfaktor, um die für diese Beobachtung erforderliche experimentelle Genauigkeit zu erreichen, war die hohe Qualität des HgTe-Materials, das in der Molekularstrahlepitaxie-Anlage der Würzburger Physik hergestellt wurde. Die Molekularstrahlepitaxie (MBE) ist eine Technik zur Herstellung von hauchdünnen Materialschichten mit maßgeschneiderten elektronischen, optischen und magnetischen Eigenschaften. Mit der MBE lassen sich Schichtstrukturen Atomlage für Atomlage präzise aufbauen.