Gefriergussverfahren – Eine Anleitung für komplex strukturierte Materialien
Vielfältige Anwendungen nicht nur in der Biomedizin, sondern auch in der Technik, von neuen Katalysatoren bis hin zu hochporösen Batterieelektroden
„Als uns der weltbekannte „Nature“-Verlag die Möglichkeit gab, einen Nature Reviews Methods Primer mit Überblick und Anleitungen über das Gefriergussverfahren zu schreiben, waren wir begeistert“, erzählt die Materialexpertin Prof. Dr. Ulrike Wegst (Northeastern University, Boston, MA, USA und TU Berlin). „Gemeinsam mit den Tomoskopie-Experten Dr. Francisco García-Moreno und Dr. Paul Kamm (HZB und TU Berlin), hatten Dr. Kaiyang Yin (heute Humboldt Research Fellow an der Uni Freiburg), und ich gerade erste in situ Versuche durchführen und neue Phänomene zu Eiskristallwachstum und Strukturbildung entdecken können. So lag es auf der Hand, in unserem neuen Leitfaden für "Nature Reviews Methods Primers" (Impaktfaktor 39,8) experimentellen Methoden der Gefriergussverfahren mit Verfahren zu deren Analyse zu kombinieren.“
Röntgentomoskopie: beim Gefrieren zusehen
Nach einer Einführung in Gefriergussverfahren stellt der Leitfaden auch die Methoden vor, mit denen sich die komplexen Materialarchitekturen und -eigenschaften analysieren lassen. Besondere Möglichkeiten bietet dabei die Röntgentomoskopie, mit der sich Kristallwachstum und Strukturbildung in allen Materialsystemen (polymeren, keramischen, metallischen, sowie Verbundmaterialien) direkt während des Gefrierens in Echtzeit und in 3D beobachten lassen. „Beim Gefriergießen von wässrigen Systemen wachsen Kristalle zum Beispiel unterschiedlich schnell in verschiedene Richtungen. Da sind Tomoskopie-Verfahren besonders attraktiv, weil sie es erlauben, das anisotrope Kristallwachstum quantitativ aufzuzeichnen,“ sagt García-Moreno.
Von Medizin bis zu Batterie-Elektroden
Vor über 40 Jahren wurde das Gefriergussverfahren für die Herstellung von biologischen Stützstrukturen entwickelt. Bald zeigte sich, dass gefriergegossene Materialien aufgrund ihrer hochporösen Struktur sich gut in Wirtsgewebe integrieren und Heilungsprozesse unterstützen können. Inzwischen gibt es vielfältigste Anwendungen nicht nur in der Biomedizin, sondern auch im technischen Bereich, von neuartigen Katalysatoren bis zu hochporösen Elektroden für Batterien oder Brennstoffzellen. Dafür steht eine große Vielfalt an Lösungsmitteln, gelösten Stoffen und Partikeln zur Verfügung, mit denen sich die gewünschten Strukturen, Formen und Funktionalitäten gezielt erzeugen lassen.
Wie funktioniert der Gefrierguss?
Zunächst wird eine Substanz in einem Lösungsmittel gelöst oder aufgeschwemmt. Die Flüssigkeit wird in einer Kühlzelle vom Boden her mit einer definierten Kühlrate (gerichtetes Gefrieren) abgekühlt, so dass das Lösungsmittel gefriert. Das kristallisierte Lösungsmittel wird dann über ein Sublimationsverfahren entfernt. Übrig bleibt die vormals darin gelöste Substanz, welche nun eine komplexe, hochporöse Architektur bildet.
Maßgeschneiderte Strukturen
Mit Gefriergussverfahren lassen sich gezielt hierarchisch komplexe Materialarchitekturen erzeugen, die auch die mechanischen, thermischen und viele andere Eigenschaften des Materials bestimmen. Dafür können Größe und Anzahl der Poren, ihre Geometrie und Ausrichtung sowie die Partikelpackung in den Zellwänden und die Oberflächenmerkmale der Zellwände jeweils für die gewünschte Anwendung maßgeschneidert werden.
Ausblick: Experimente unter Mikrogravitation
Nun sind Experimente auf der Internationalen Raumstation geplant. Denn dort herrscht Mikrogravitation, also eine enorm verringerte Schwerkraft, so dass Effekte durch Sedimentation und Konvektion beim Gefrierguss deutlich geringer sind. Dadurch erwarten die Experten weitere Fortschritte beim Verständnis von Gefriergussverfahren und der Herstellung von defektfreien, für bestimmte Anwendung maßgeschneiderten Werkstoffe.
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