Wie grüne Städte CO2 aus der Atmosphäre holen könnten

Eine Gigatonne pro Jahr zur Mitte des Jahrhunderts: Studie ermittelt Potenziale, verschiedene Zusatznutzen und mögliche Hindernisse

06.05.2024
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Symbolbild

Mehr als tausend Städte weltweit haben mittlerweile „Netto-null“ angekündigt: Sie wollen nur noch so viel CO2 in die Atmosphäre emittieren, wie sie gleichzeitig zurückholen. Eine aufwendige Metastudie bündelt jetzt den Wissensstand dazu, welche Methoden dienlich sein und was sie ausrichten könnten: Fazit: Technisch betrachtet könnten sich urbane Entnahmen dieses wichtigsten Klimagases zur Mitte des Jahrhunderts auf eine Gigatonne jährlich addieren, also 1000 Millionen Tonnen. Die Studie wurde erstellt vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Cities.

„Die Potenziale für CO2-Entnahmen in Städten sind nicht unbedeutend, aber sie sind eben auch begrenzt“, bilanziert Quirina Rodriguez Mendez, Doktorandin am MCC und Leitautorin der Studie. „Global betrachtet macht eine Gigatonne nur etwa ein Fünftel der für das Jahr 2050 erwarteten urbanen CO2-Emissionen aus – ein urbanes Netto-null zur Mitte des Jahrhunderts ist also aus heutiger Sicht nur in Städten mit ganz besonders ambitionierter Emissionsminderung realistisch. Unsere Untersuchung kann lokale Bestrebungen in Richtung Klimaneutralität unterstützen, indem sie die Bandbreite vielversprechender Entnahme-Optionen beleuchtet.“

Laut der Metastudie, die aus 700 systematisch identifizierten Einzelstudien die Kernerkenntnisse ermittelt und verdichtet, ist die Gigatonne CO2-Entnahme technisch zum Beispiel so machbar: (1) Man müsste im Städtebau 4 Prozent Pflanzenkohle dem Baustoff Zement beimischen oder alternativ für neun von zehn neuen Häusern den Baustoff Holz verwenden, außerdem (2) auf einem Drittel der städtischen Rasenflächen Baumlandschaften pflanzen, (3) Pflanzenkohle in den Boden von städtischen Grünflächen, Straßenbäumen und Dachgärten geben, und zwar je nach Art des Bodens in einem Umfang von 2,5 bis 20 Prozent, sowie (4) 15 Prozent aller Geschäftshäuser mit kleinen Luftfiltern ausstatten, die das Klimagas aus der besonders CO2-haltigen Innenraum-Luft in Städten extrahieren.

Das Forschungsteam hebt hervor, dass solche Formen der dezentralen CO2-Entnahme auch unabhängig vom Klimaschutz-Effekt beträchtlichen Zusatznutzen stiften: für die Umweltqualität, für Gesundheit und Wohlergehen der Menschen und auch für die wirtschaftliche Entwicklung. Das wird für jede der vier untersuchten Entnahme-Methoden (über Baustoffe, Baumpflanzungen, Bodenanreicherung und Luftfilter) inhaltlich konkretisiert und mit einer quantitativen Abschätzung versehen. Ebenso systematisch beleuchtet die Studie auch die möglichen Hindernisse für die Umsetzung und leitet daraus Politik-Empfehlungen ab.

In einem Exkurs bewertet das Forschungsteam die Möglichkeit, mit speziellen Farbpigmenten und Oberflächenmaterialien das Rückstrahlungsvermögen von Dächern, Fassaden, Gehwegen und Straßen zu verbessern. Das hätte einen kühlenden Effekt in städtischen Hitzeinseln und würde zudem Energie in Klimaanlagen einsparen. So könnten „kühle Dächer“ die Umgebungstemperatur je nach Breitengrad um 1,4 bis 4,7 Grad verringern. Im Städtebau der Zukunft könnten solche Maßnahmen Hand in Hand mit denen zur CO2-Entnahme gehen.

„Städte sind gute Versuchslabore für Klimaschutz, weil die Regierenden relativ nah dran sind an den Bürgerinnen und Bürgern und an anderen Interessensgruppen und deshalb Aktionspläne leichter umsetzbar sind“, betont Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und ein Co-Autor der Studie. „Klimalösungen auf lokaler Ebene werden oft als irrelevant belächelt, aber vieles, was auf lokaler Ebene erfunden und erprobt wird, kann auf andere Städte ausgeweitet werden und global Wirkung zeigen. Unsere erstmalige Mengenabschätzung urbaner CO2-Entnahmen zeigt: Städtische Politik im kleinen Maßstab kann beeindruckende Ergebnisse für den Klimaschutz bewirken und auch für bessere Lebensqualität.“

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