TU Graz bündelt ihre Kräfte in Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz

Abbau von Ewigkeitschemikalien und Herstellung von Bioplastik aus CO2

09.05.2024
Lunghammer - TU Graz

V.l.: Daniel Kracher, Robert Peharz, Gustav Oberdorfer, Robert Kourist und Regina Kratzer vom neuen Leadprojekt DigiBioTech an der TU Graz.

Forschende aus Biowissenschaften, Prozesstechnik und Informatik wollen in einem multidisziplinären Forschungsprojekt die Effizienz in der Entwicklung neuer Enzyme und der Prozesssteuerung massiv erhöhen. Das soll sogar den Abbau von Ewigkeitschemikalien ermöglichen.

Die TU Graz fördert ein neues Leadprojekt namens „DigiBioTech“, in dem 17 Wissenschafter*innen sowie zehn Doktorand*innen aus den Bereichen Biotechnologie, biotechnologische Verfahrenstechnik und Informatik eng zusammenarbeiten, um die Vorhersagbarkeit und Steuerung biochemischer Reaktionen und Prozesse erheblich zu verbessern. Durch die Verschmelzung von Biotechnologie, Data Science und Künstlicher Intelligenz möchte das Projektteam auf effiziente Weise neuartige Enzyme herstellen. Diese sollen nicht nur eine nachhaltigere Gestaltung von Produktionsprozessen ermöglichen, sondern auch persistente Umweltgifte wie per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) abbauen können.

1,96 Millionen Euro Förderung

Die TU Graz fördert diesen neuen Schwerpunkt in der Grundlagenforschung mit 1,96 Millionen Euro über zunächst drei Jahre. „Die TU Graz verfügt in den Bereichen Biotechnologie und Informatik über international herausragende Expertise. Indem beide Disziplinen ihre Stärken zusammenzubringen, eröffnen sich faszinierende Perspektiven für die Grundlagenforschung und die Anwendung nachhaltiger Produktionsverfahren“, sagt Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung. „Das Leadprojekt DigiBioTech erweitert damit passgenau das Profil der TU Graz, deren Forschende an Lösungen für die wichtigsten Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft arbeiten.“

Erhebliche Effizienzsprünge erwartet

„Biotechnologie kann unsere Gesellschaft erheblich nachhaltiger machen. Dafür müssen wir biologische Systeme optimieren, was uns durch die Integration von Künstlicher Intelligenz erheblich besser und verlässlicher gelingen wird“, sagt Robert Kourist vom Institut für Molekulare Biotechnologie, der das Leadprojekt „DigiBioTech“ leitet. Möchte man beispielsweise das Reaktionszentrum eines Enzyms an mehreren Stellen zugleich verändern, um seine Wirkung zu verbessern, ergeben sich schnell rund eine Million Varianten, die alle im Labor experimentell getestet werden müssen. „Der Einsatz von Machine Learning ermöglicht hier enorme Effizienzsprünge“, sagt Gustav Oberdorfer vom Institut für Biochemie. „Unser Ziel ist es, die Zahl der nötigen Experimente auf nur eine Handvoll zu reduzieren.“

Digitaler Zwilling biochemischer Prozesse

Ähnlich komplex wie die Optimierung des molekularen Designs von Enzymen ist die Gestaltung der Prozesstechnik, also die gezielte Steuerung der physikalischen und chemischen Umgebung, damit ein biologischer Prozess optimal abläuft. Besonders schwierig gestaltet sich dies, sobald mehrere Enzyme zusammenwirken. „Wir wollen digitale Zwillinge solcher biologisch-biochemischer Prozesse erzeugen, um die Abläufe in all ihrer Komplexität vorhersagen, gestalten und auch im Großmaßstab kontrollieren zu können“, sagt Regina Kratzer vom Institut für Biotechnologie und Prozesstechnik.

Entwicklung passender Machine-Learning-Methoden

„Biotechnologie und Informatik sind langjährige Forschungsschwerpunkte der TU Graz. In diesem Leadprojekt wollen wir ein gemeinsames Verständnis entwickeln, um für die jeweiligen experimentellen Daten die passende Machine-Learning-Methode zu finden und entsprechend weiterzuentwickeln“, sagt Robert Peharz vom Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung. So sollen bei der Entwicklung neuer Enzyme so genannte Diffusion Based Generative Models zum Einsatz kommen, die aktuell häufig zum Generieren von Bildern eingesetzt werden. Zur Eingrenzung der riesigen Zahl von Enzymkandidaten sind wiederum probabilistische Machine-Learning-Ansätze wie zum Beispiel Bayesian Optimization geeignet, so Robert Peharz.

Abbau von Ewigkeitschemikalien und Herstellung von Bioplastik aus CO2

Entwickelt und angewendet werden die Methoden in Teilprojekten, die sich drei Leitthemen widmen: der Entwicklung von Enzymen zum Abbau von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), der Herstellung von Bioplastik aus CO2 sowie der Vorhersage und automatisierten Steuerung des Zusammenspiels multipler Enzyme. Dafür werden die mittels Künstlicher Intelligenz errechneten Daten stets in Laborexperimenten verifiziert und anschließend zur Verfeinerung an die KI-Modelle zurückgespielt.

„Wir stehen vor der Herausforderung, dass es für Enzymaktivitäten und die biotechnologische Prozesssteuerung wenig öffentlich zugängliche Datensätze gibt“, sagt Gustav Oberdorfer. „Daher müssen wir diese selbst durch Experimente erzeugen und dabei die Parameter absolut konstant halten, damit sie möglichst gut für Machine-Learning-Modelle geeignet sind.“ Die im Rahmen von DigiBioTech gewonnen Daten werden allesamt öffentlich zugänglich gemacht. „Mit unserem Projekt wollen wir so zur Demokratisierung in diesem Bereich der Biotechnologie beitragen“, betont Gustav Oberdorfer.

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