Wissenschaftler für 2D-Materialforschung ausgezeichnet
Jenaer Forscherteam erhält Thüringer Forschungspreis
© Nicole Nerger | Universität Jena
Hundertausendmal dünner als ein Haar, fester als Stahl und effiziente Vermittler zwischen Licht und Strom – sogenannte 2D-Materialien sind eine sich rasant entwickelnde Materialklasse mit einzigartigen Eigenschaften und großem Anwendungspotenzial.
Für ihre Forschung an eben diesen 2D-Materialien wurden Forschende der Universität Jena und des Fraunhofer IOF nun mit dem Thüringer Forschungspreis ausgezeichnet. Die Ehrung in der Kategorie »Angewandte Forschung«, die mit 25.000 Euro dotiert ist, wurde am 18. Juni an der TU Ilmenau überreicht. Die Preistragenden – Prof. Dr. Andrey Turchanin, Dr. Antony George, Dr. Christof Neumann und Dr. Falk Eilenberger (Fraunhofer IOF) – haben eine Reihe von innovativen Methoden entwickelt, um maßgeschneiderte 2D-Materialien für photonische, elektronische und optoelektronische Anwendungen herzustellen und nutzbar zu machen.
Ein Hauch von Nichts
Die erforschten 2D-Materialien stellen eine neue Klasse von Werkstoffen dar, die aus nur einer oder wenigen atomaren Lagen bestehen – einem Hauch von Nichts. Das besondere an ihnen: Sie ändern ihre Eigenschaften gegenüber den dreidimensionalen Ausgangsstoffen drastisch. Ein bekanntes Nanomaterial ist Graphen. Ein 2D-Material, das durch das Abscheiden von nur nanometergroßen Schichten von Graphit isoliert wird. In seiner atomaren Form ist es viel fester und leitfähiger als der Ausgangsstoff Graphit, den wir zum Beispiel aus herkömmlichen Bleistiften kennen.
Am Fraunhofer IOF hat Falk Eilenberger, Leiter der Abteilung für Mikro- und Nanostrukturierte Optik, unter anderem die verwandte Materialklasse der Übergangsmetall-Dichalgogeniden, kurz TMDs, untersucht und charakterisiert. TMDs treten in ihrer dreidimensionalen Form nur als indirekte Halbleiter auf, was die Anwendungsmöglichkeiten eingrenzte. Als 2D-Material jedoch verwandelt sich der Stoff in einen direkten Halbleiter, der Strom effizient in Licht umwandeln kann und umgekehrt.
Skalierbare Herstellung eröffnet neue Anwendungspotenziale
Bisher wurden 2D-Materialien durch das »Abblättern« dreidimensionaler Kristalle gewonnen. Ähnlich wie beim Abziehen eines Fingerabdrucks mit Klebeband, werden dabei einzelne Schichten der Kristalle Stück für Stück abgetragen. Ein aufwendiger und für die Industrie ungeeigneter Prozess, der die Anwendungsmöglichkeiten der Materialien bisher beschränkte.
Die Forschenden aus Jena haben sich auf ein Verfahren konzentriert, dass die industriekompatible Herstellung von maßgeschneiderten 2D-Materialien ermöglicht. Dazu nutzen sie die sogenannte Gasphasenabscheidung, bei welcher der Kristall auf einer Silizium- oder Glasplatte wie ein Teppich aufwächst – ein nanometerdünner Teppich.
»Durch das neue Verfahren war es uns möglich die 2D-Materialien nicht nur effizient herzustellen, sondern diese ebenfalls skalierbar als funktionelle Bestandteile auf optischen Komponenten aufwachsen zu lassen«, erklärt Dr. Eilenberger. »So können wir, unter anderen, TMD-Materialien in optische Fasern integrieren, was uns eine Reihe neuer Anwendungsmöglichkeiten eröffnet.«
Die wahrscheinlich kleinste LED der Welt
Durch das Einbringen von TMD können optische Fasern und photonische Chips so funktionalisiert werden, dass sie Licht nicht nur passiv weiterleiten, sondern erzeugen, verändern oder detektieren: Eine ideale Plattform, um zum Beispiel bestimmte Aufgaben klassischer Computerchips zukünftig energiesparend photonisch umzusetzen. Dem Forscherteam gelang es darüber hinaus das 2D-Material als Diode zu funktionalisieren und somit die wahrscheinlich kleinste LED der Welt zu entwickeln.
Die Integration der Nanomaterialien ermöglicht erstmals die Herstellung von elektronischen, photonischen und optoelektronischen Bauelementen, die gleichzeitig extrem klein und leistungsfähig sind. Die effiziente Umwandlung von Strom und Licht macht die 2D-Materialien darüber hinaus für Anwendungen in der Datenübertragung, Kameratechnologie oder in Beleuchtungssystemen interessant. Zudem lassen sie sich nahtlos mit bestehenden Halbleitern verbinden und eröffnen dadurch neue Wege in der Halbleitertechnologie.
Das entstehende Licht kann auch ganz ungewöhnliche Quanteneigenschaften aufweisen. Es eignet sich damit nicht nur für den klassischen Datentransport, sondern auch zur Quantenverschlüsselung. TMD-beladene optische Bauelemente können damit zukünftig auch einen Beitrag in der Quantensicherung von Datenkommunikationsnetzen leisten.
Einzigartige Kombination in Thüringen
Dr. Eilenberger betont die besondere Forschungsumgebung in Thüringen als Schlüssel zum Erfolg des Projekts: »Wir haben hier vor Ort eine ganz einzigartige Situation, die maßgeblich zum Erfolg unseres Vorhabens geführt hat«, sagt er mit Blick auf die Auszeichnung. »In Thüringen und speziell in Jena trifft Photonik-Know-how auf exzellente wissenschaftliche Ausstattung– personell und technisch – und auch auf risikobereite Unternehmen, die vor innovativen Projekten nicht zurückschrecken«, erklärt Falk Eilenberger in Würdigung seiner Zusammenarbeit mit den Kollegen Prof. Dr. Andrey Turchanin, Dr. Antony George und Dr. Christof Neumann von der Universität Jena weiter.
Mit dem Thüringer Forschungspreis ehrt der Freistaat seit 1995 einmal im Jahr wissenschaftliche Spitzenleistungen der Thüringer Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die exzellentesten Forschungsleistungen von Einzelpersonen oder Forschungsgruppen in den Kategorien der Grundlagen- und der angewandten Forschung werden mit einem Preisgeld von insgesamt 25.000 € und dem Forschungspreis-Award prämiert. Der Thüringer Forschungspreis wurde am 18. Juni 2024 an der Technischen Universität Ilmenau übergeben.