Wasserstoff und Dünger gleichzeitig herstellen

Mit diesem neuen Konzept könnten sich Bedürfnisse von bislang getrennten Industriezweigen kombinieren lassen

17.07.2024
RUB, Marquard

„Wir mussten erst einmal diesen thermodynamischen Grand Canyon überbrücken“, sagt Erstautorin Ieva Cechanaviciute über die Herausforderungen der Studie.

Ein Forschungsteam der Universitätsallianz Ruhr hat einen Katalysator gefunden, mit dem sich Ammoniak in den Energieträger Wasserstoff und Nitrit umwandeln lässt, was wiederum leicht zu Düngemittel weiterverarbeitet werden kann. Die Produktion von Wasserstoff und die Produktion von Düngemittel sind bislang separate chemische Prozesse. Mit dem neuen Ansatz zeigt das Team der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Duisburg-Essen, dass beides im Labormaßstab miteinander verbunden werden kann. Die Bochumer Gruppe um Ieva Cechanaviciute und Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann berichtet über die Ergebnisse zusammen mit Prof. Dr. Corina Andronescu von der Universität Duisburg-Essen in der Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition am 23. Juni 2024.

Wasserstoff lässt sich gewinnen, indem Wasser (H2O) mithilfe elektrischer Energie in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten wird. Um diesen Prozess nachhaltig zu gestalten, sollte die Energie dafür aus regenerativen Quellen kommen. „Das kann nur in einem Land erfolgen, in dem viel Platz für Windkraft und viel Sonne für Fotovoltaik vorhanden ist, zum Beispiel in Namibia“, erklärt Wolfgang Schuhmann. Um in Deutschland eine Wirtschaft basierend auf Wasserstoff aufzubauen, muss dieser also aus entfernten Ländern importiert werden. Die Crux: Um Wasserstoff für den Transport zu verflüssigen, wird viel Energie benötigt, da er erst bei extrem tiefen Temperaturen von minus 253 Grad Celsius oder hohen Drücken flüssig wird.

Ammoniak leichter zu transportieren als Wasserstoff

Alternative Konzepte sehen daher vor, Wasserstoff am Herstellungsort zu Ammoniak umzusetzen, da dieser schon bei minus 33 Grad Celsius flüssig wird. Er hat zudem eine höhere Energiedichte. „Ein Tanker gefüllt mit flüssigem Ammoniak würde etwa 2,5-mal mehr Energie transportieren als ein Tanker gefüllt mit flüssigem Wasserstoff“, veranschaulicht Schuhmann. Am Bedarfsort müsste Ammoniak schließlich wieder in Wasserstoff umgewandelt werden. In der Regel passiert das mit der umgekehrten Haber-Bosch-Reaktion, in der Ammoniak (NH3) in Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) umgesetzt wird. Von den beiden Produkten kann allerdings nur der Wasserstoff gewinnbringend genutzt werden.

Doppelter Wasserstoff-Ertrag

„Wir hatten daher die Idee, die umgekehrte Haber-Bosch-Reaktion mit einer zweiten Elektrolyse von Wasser zu verknüpfen und dabei statt Stickstoff ein Produkt zu erzeugen, das man leicht für die Produktion von Dünger verwenden kann, wie Nitrit oder Nitrat“, erzählt Ieva Cechanaviciute. In dieser Reaktion werden also Ammoniak (NH3) und Wasser (H2O) verbraucht, um Nitrit (NO2-) und Wasserstoff (H2) zu erzeugen. Anders als in der umgekehrten Haber-Bosch-Reaktion wird der Wasserstoff-Output verdoppelt, und es entsteht zudem statt nicht verwertbarem Stickstoff überwiegend Nitrit, das leicht zu Dünger weiterverarbeitet werden kann.

Für die Reaktion setzte das Team Gasdiffusionselektroden ein, in die Ammoniak als Gas eingespeist werden kann. „Das wurde zuvor nie gemacht“, erläutert Wolfgang Schuhmann. „Ammoniak wurde immer in gelöster Form genutzt.“

Die thermodynamische Schlucht überwinden

Eine Herausforderung für die Forschenden war es, einen geeigneten Katalysator zu finden, mit dem ihre Idee umsetzbar war. Denn das energetische Gefälle bedingt, dass die Ausgangsstoffe dazu neigen, sich in Stickstoff umzuwandeln und nicht in Nitrit. „Wir mussten erst einmal diesen thermodynamischen Grand Canyon überbrücken“, beschreibt Cechanaviciute. In früheren Arbeiten hatte das Team bereits mit Multimetallkatalysatoren experimentiert, die sich für diesen Zweck als geeignet erwiesen. Mit ihnen ließ sich der gasförmige Ammoniak zu 87 Prozent in Nitrit umsetzen. Zudem schaffte es das Team, Sauerstoff als unerwünschtes Nebenprodukt der Wasser-Elektrolyse zu vermeiden.

„Mit unserer Arbeit zeigen wir, dass unser Gedankenexperiment prinzipiell funktioniert“, resümiert Wolfgang Schuhmann. „Aber wir sind weit entfernt von einer technischen Umsetzung im Industriemaßstab.“

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