Neues Verständnis für die enzymatische Katalyse: Schneller vom Labormaßstab zur Großproduktion

BASF und die Universität Graz entwickeln grundlegend neues computerunterstütztes Modell, um die Effizienz biokatalytischer Produktionsprozesse zu optimieren

25.07.2024
BASF

Im Fermentationslabor in Ludwigshafen finden die ersten Schritte der Verfahrensentwicklung für neue Substanzen statt. Die Produktionsmenge wird schrittweise erhöht. Dabei kommen Fermenter mit einem Volumen von wenigen Litern zum Einsatz. Yvonne Liebner, Laborantin, und Thorsten Renz, Laborant, bedienen einen 5-Liter-Bioreaktor.

Zahlreiche Stellschrauben beeinflussen die Effizienz von Enzymen, die zur Produktion von Chemikalien eingesetzt werden. Hier die optimalen Bedingungen zu finden, ist zeit- und ressourcenintensiv. Forscherinnen und Forscher der BASF, des Austrian Research Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der Universität Graz/Österreich haben zusammen ein grundlegend neues computergestütztes Modell entwickelt. Mit diesem können die Leistungsfähigkeit von Enzymen verbessert und neue biokatalytische Herstellungsprozesse schneller vom Labormaßstab in die Großproduktion überführt werden.

Enzyme sind Eiweiße, die im menschlichen Körper, wie in allen anderen Organismen, viele Aufgaben erfüllen. Sie sind biologische Katalysatoren, beschleunigen also chemische Reaktionen. Enzyme sind an fast allen Stoffwechselprozessen des Körpers beteiligt, zum Beispiel bei der Verdauung von Nahrung oder dem Aufbau von Zellen und Geweben. Auch die chemische Industrie setzt Enzyme ein, und zwar als Biokatalysatoren im Produktionsprozess. BASF stellt damit Produkte wie etwa Vitamine, Aromastoffe oder Inhaltsstoffe von Kosmetika und Waschmitteln her.

Doch Enzyme sind sehr empfindlich und funktionieren nicht mehr richtig, wenn etwa die Temperatur zu hoch ist. „Sie sind dann nicht mehr korrekt gefaltet und verlieren ihre dreidimensionale Struktur. Das hat zur Folge, dass in ihrem aktiven Zentrum keine katalytischen Reaktionen mehr ablaufen“, erklärt Dr. Stefan Seemayer, global verantwortlich für Computational Protein Engineering bei BASF. Aber auch eine zu niedrige Temperatur ist für die Funktion der Enzyme nicht optimal. Die Enzyme stellen dann geringere Mengen des gewünschten Produktes her.

Auch Substanzen, die mit den Enzymen im selben Reaktionsmedium sind, können die Aktivität der Biokatalysatoren beeinflussen. Zum Beispiel Lösungsmittel. „Wir brauchen Lösungsmittel, damit die Enzyme aus den Ausgangssubstanzen, wie zum Beispiel Fetten, das gewünschte Endprodukt schnell und in großer Menge herstellen können“, sagt Seemayer. Ohne Lösungsmittel können die Enzyme die Ausgangssubstanzen nicht vollständig erschließen und in andere Stoffe umsetzen. Sind die Konzentration des Lösungsmittels oder die Temperatur jedoch zu hoch, verlieren die Enzyme ihre Struktur und sind nicht mehr aktiv. Sind die Konzentration oder die Temperatur wiederum zu niedrig, verringert dies Produktmenge.

Temperatur und Lösungsmittelkonzentration optimal kombinieren

„Um möglichst große Mengen des gewünschten Produktes zu bekommen, müssen wir also den für die Enzyme optimalen Punkt finden, bei dem die Reaktionstemperatur sowie die Konzentration des Lösungsmittels zu bestmöglicher Aktivität führen“, betont Seemayer.

Bislang wurde diese optimale Kombination aus Temperatur und Lösungsmittelkonzentration aufwändig über viele Laborversuche ermittelt. Forscherinnen und Forscher der BASF, des acib und der Universität Graz haben jetzt ein sogenanntes Regressionsmodell als Erweiterung klassischer biochemischer Modelle entwickelt. Ein Regressionsmodell ist eine statistische Methode, die zur Analyse und Vorhersage von biochemischen Reaktionen auf der Grundlage wissenschaftlich erhobener Daten eingesetzt wird. Mit diesem Modell ist es deutlich einfacher geworden, die optimale Kombination zu ermitteln. Es sind nur wenige Vorversuche wie das Bestimmen einer Entfaltungskurve des Enzyms im Labor notwendig. Die erhobenen Daten werden anschließend in das Computermodell eingegeben. Dieses errechnet die Kombination aus optimaler Reaktionstemperatur und Konzentration des Lösungsmittels. Das Enzym zeigt dann seine bestmögliche Leistung.

„Das hört sich einfach an, verbessert aber die Effizienz biokatalytischer Prozesse erheblich und eröffnet uns ein neues Verständnis für die enzymatische Katalyse“, sagt Seemayer. Aufgrund der großen wissenschaftlichen Bedeutung konnten die Forscherinnen und Forscher ihre Ergebnisse in einer der renommiertesten wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Nature Communications, publizieren.

Mit der neuen Methode lassen sich unterschiedliche Enzyme besser miteinander vergleichen sowie ihre Leistungsfähigkeit optimieren. „Wir können jetzt ohne großen Aufwand für jeden neuen Herstellungsprozess die optimalen Bedingungen finden. So können wir schneller die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Labor abschließen und schneller mit der Herstellung in größerem Maßstab beginnen. Das verringert die Kosten und den Ressourceneinsatz deutlich und verbessert die Nachhaltigkeit der Biokatalyse“, betont Seemayer.

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