Interstellares Methan als Aminosäure-Urahn?

Gammastrahlung setzt Methan zu Glycin und anderen komplexen Verbindungen um

08.11.2024

Gammastrahlung kann Methan bei Raumtemperatur in eine Bandbreite verschiedener Produkte umsetzen, darunter Kohlenwasserstoffe, sauerstoffhaltige Verbindungen und Aminosäuren, wie ein Forschungsteam in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet. Solche Reaktionen spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Bildung komplexer organischer Moleküle im Universum – und möglicherweise für den Ursprung des Lebens. Außerdem eröffnen sie neue Strategien zur industriellen Umwandlung von Methan in Produkte mit hohem Mehrwert unter milden Bedingungen.

© Wiley-VCH

Das Team um Weixin Huang von der University of Science and Technology of China (Hefei) fügt mit diesen Forschungsergebnissen einen neuen Mosaikstein in das grundlegende Verständnis der anfänglichen Entwicklung von Molekülen im Universum ein. „Gammastrahlen, hochenergetische Photonen, die in der kosmischen Strahlung und beim Zerfall instabiler Isotope vorkommen, liefern die notwendige Energie, um chemische Reaktionen einfacher Moleküle in den eisigen Mänteln interstellarer Staub- und Eiskörnchen anzutreiben,“ so Huang. „So könnten komplexere organische Moleküle entstehen, vermutlich aus Methan (CH4), das im gesamten interstellaren Raum weit verbreitet ist.“

Obwohl auf der Erde oder Planeten in der bewohnbaren Zone höhere Drücke und Temperaturen herrschen, simulieren die meisten Studien kosmische Vorgänge nur unter Vakuum bei extrem niedrigen Temperaturen. Das chinesische Team untersuchte die Reaktionen von Methan dagegen bei Raumtemperatur in der Gasphase und in wässriger Phase unter Bestrahlung mit einem Kobalt-60-Strahler.

Je nach Ausgangsstoffen variierte die Produktzusammensetzung. So reagiert reines Methan – bei sehr geringem Umsatz – zu Ethan, Propan und Wasserstoff. Zugabe von Sauerstoff erhöht den Umsatz, dabei entsteht vor allem CO2 neben CO, Ethylen und Wasser. In Anwesenheit von Wasser reagiert Methan in der wässrigen Phase zu Aceton und tertiär-Butylalkohol, in der Gasphase zu Ethan und Propan. Bei Zugabe von Wasser und Sauerstoff werden die Reaktionen stark beschleunigt. In der wässrigen Phase finden sich Formaldehyd, Essigsäure und Aceton. Mit zugegebenem Ammoniak bildet Essigsäure Glycin, eine auch im Weltall vorkommende Aminosäure. „Glycin kann unter Gammastrahlung aus Methan, Sauerstoff, Wasser und Ammoniak entstehen, Verbindungen, die in größeren Mengen im All vorkommen,“ so Huang. Das Team erarbeitete ein Reaktionsschema, das erklärt, auf welchen Wegen die einzelnen Produkte gebildet werden. Dabei spielen durch Gammastrahlung erzeugte Sauerstoff- (∙O2) und ∙OH-Radikale eine wichtige Rolle. Die Geschwindigkeiten der radikalischen Reaktionsmechanismen sind temperaturunabhängig und könnten daher auch im Weltall stattfinden.

Zudem konnte das Team zeigen, dass verschiedene feste Partikel, die Bestandteile des interstellaren Staubs sind – Siliziumdioxid, Eisenoxid, Magnesiumsilikat und Graphenoxid – die Produktselektivitäten auf unterschiedliche Weise verändern. Die variierende Zusammensetzung des interstellaren Staubs könnte somit zur beobachteten Ungleichverteilung von Molekülen im Weltall beigetragen haben.

Siliziumdioxid etwa führte zu einer selektiven Umsetzung von Methan zu Essigsäure. Huang: „Da Gammastrahlen inzwischen eine gut handhabbare, sichere und nachhaltige Energiequelle sind, könnte dies ein Ansatz sein, Methan als Kohlenstoffquelle effizient bei milden Bedingungen zu wertvollen Produkten umzusetzen – schon lange eine Herausforderung für die industrielle Synthesechemie.“

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