Terahertz-Pulse induzieren Chiralität in einem nicht-chiralen Kristall

„Diese Entdeckung eröffnet neue Möglichkeiten zur dynamischen Kontrolle von Materie auf atomarer Ebene“

29.01.2025

Chiralität ist eine grundlegende Eigenschaft von Materie, die viele biologische, chemische und physikalische Phänomene bestimmt. Chirale Festkörper bieten zum Beispiel spannende Möglichkeiten für Katalyse, Sensorik und optische Bauelemente, da sie einzigartige Wechselwirkungen mit chiralen Molekülen und polarisiertem Licht ermöglichen. Diese Eigenschaften werden jedoch bereits beim Wachstum des Materials festgelegt. Das bedeutet, dass die links- und rechtshändigen Enantiomere nicht ineinander umgewandelt werden können, ohne dass der Stoff geschmolzen und erneut kristallisiert wird. Forscher des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) und der Universität Oxford haben gezeigt, dass Terahertz-Licht Chiralität in einem nicht-chiralen Kristall induzieren kann, wobei entweder links- oder rechtshändige Enantiomere nach Wunsch entstehen. Diese in Science veröffentlichte Entdeckung eröffnet spannende Möglichkeiten zur Erforschung neuer Nichtgleichgewichtsphänomene in komplexen Materialien.

Zhiyang Zeng (MPSD)

Terahertz-Licht kann Festkörper auf atomarer Ebene steuern und dabei chirale Strukturen mit Links- und Rechtshändigkeit bilden.

Chiralität beschreibt Objekte, die nicht durch Kombinationen aus Drehungen oder Verschiebungen mit ihrem Spiegelbild zur Deckung gebracht werden können, ähnlich wie die linke und rechte Hand eines Menschen. In chiralen Kristallen verleiht die räumliche Anordnung der Atome ebenfalls eine spezifische „Händigkeit“, die beispielsweise die optischen und elektrischen Eigenschaften beeinflusst.

Das Team aus Hamburg und Oxford konzentrierte sich auf sogenannte antiferro-chirale Materialien, eine Art nicht-chiraler Kristalle, die an antiferromagnetische Materialien erinnern. In diesen richten sich magnetische Momente in einem versetzten Muster gegensätzlich aus, was zu einer verschwindenden Gesamtmagnetisierung führt. Ein antiferro-chiraler Kristall besteht aus gleichen Anteilen von links- und rechtshändigen Unterstrukturen in einer Elementarzelle, wodurch er insgesamt nicht-chiral ist.

Das Forschungsteam unter der Leitung von Andrea Cavalleri nutzte Terahertz-Licht, um dieses Gleichgewicht im nicht-chiralen Material Boronphosphat (BPO4) aufzuheben und so Chiralität auf ultraschnellen Zeitskalen zu induzieren. „Wir nutzen einen Mechanismus, der als nichtlineare Phononik bezeichnet wird“, erklärt Zhiyang Zeng, Hauptautor dieser Arbeit. „Durch die Anregung einer spezifischen Schwingungsmode im Terahertz-Frequenzbereich, der das Kristallgitter entlang der Koordinaten anderer Moden im Material verschiebt, erzeugten wir einen chiralen Zustand, der mehrere Pikosekunden anhält“, fügt er hinzu. „Bemerkenswert ist, dass wir durch die Drehung der Polarisation des Terahertz-Lichts um 90 Grad entweder eine links- oder rechtshändige chirale Struktur gezielt induzieren konnten“, ergänzt Koautor Michael Först.

„Diese Entdeckung eröffnet neue Möglichkeiten zur dynamischen Kontrolle von Materie auf atomarer Ebene“, sagt Andrea Cavalleri, Gruppenleiter am MPSD. „Wir sind gespannt auf die potenziellen Anwendungen dieser Technologie und darauf, wie sie genutzt werden kann, um einzigartige Funktionalitäten zu schaffen. Die Fähigkeit, Chiralität in nicht-chiralen Materialien zu induzieren, könnte zu neuen Anwendungen in ultraschnellen Speichervorrichtungen oder sogar in fortschrittlicheren optoelektronischen Plattformen führen.“

Diese Arbeit wurde finanziell von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ unterstützt. Das MPSD ist Mitglied des Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer gemeinsamen Einrichtung von DESY und der Universität Hamburg.

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