Exotisches monovalentes Kohlenstoffmolekül entdeckt
Kollaborationsprojekt weist eine neue Klasse von organischer Verbindung mit neutralem, einfach gebundenen Kohlenstoffatom nach
Kohlenstoff ist aufgrund seiner Vielfalt an Verbindungen das Fundament des Lebens und das zentrale Element der organischen Chemie. Die Anzahl der Bindungen, die ein Kohlenstoffatom in einer Verbindung eingeht, bestimmt maßgeblich dessen chemische Struktur und Reaktivität. Normalerweise bildet ein Kohlenstoffatom vier Bindungen mit anderen Atomen und teilt alle vier Valenzelektronen. Wenn weniger Bindungen vorhanden sind, entstehen ungewöhnliche Verbindungen wie zum Beispiel Carbene, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften in vielen Bereichen der Chemie und Katalyse genutzt werden. In seltenen Fällen gibt es zweiwertige Kohlenstoffverbindungen, sogenannte Carbone, in denen ein elektronisch angeregtes C(0)-Zentrum durch zwei Bindungen mit neutralen Elektronenpaar-Donoren stabilisiert wird. Nun wurde ein weiterer Meilenstein erreicht: Wissenschaftler haben eine organische Verbindung mit einem einfach gebundenen (monovalenten) Kohlenstoffatom im Grundzustand hergestellt. Dies ist ein wichtiger Schritt in der Chemie, da er neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Verbindungen und Reaktionen eröffnet.
In einer wegweisenden Studie, veröffentlicht in Angewandte Chemie, berichten die Forscherteams um Dimitrios A. Pantazis (MPI für Kohlenforschung, Abteilung Molekulare Theorie und Spektroskopie), Müge Kasanmascheff und Max M. Hansmann (TU Dortmund) über die Entdeckung einer Verbindung, in der ein einzelnes Kohlenstoffatom an eine Phosphorgruppe gebunden ist: Ph₃P→C. Diese Verbindung wurde durch Bestrahlung eines Diazophosphorylid-Vorläufers mit ultraviolettem (UV) Licht bei sehr tiefen Temperaturen erzeugt, was zur Abspaltung von N₂ und zur Bildung von Ph₃P→C führte.
Untersuchungen mittels Elektronenparamagnetischer Resonanz (EPR) und Elektron-Kern-Doppelresonanz (ENDOR) zeigten, dass die Verbindung zwei ungepaarte Elektronen mit parallelem Spin besitzt – ein Spin-Triplet-Zustand. Fortgeschrittene quantenchemische Berechnungen analysierten die Bindungsverhältnisse und die Spin-Dichte-Verteilung und zeigten, dass es sich um eine neue Klasse von kohlenstoffzentrierten Diradikalen handelt, in denen eine einzelne dative gebundene Verbindung zwischen Phosphor und dem endständigen Kohlenstoff vorliegt. Diese Verbindung ist die erste bekannte chemische Spezies, in der ein Kohlenstoffzentrum in genau der gleichen elektronischen Konfiguration und dem selben Spinzustand vorliegt wie ein isoliertes Kohlenstoffatom im Grundzustand.
Diese grundlegende Entdeckung erweitert die Grenzen der Kohlenstoffchemie auf eine extreme Bindungssituation, in der ein monovalentes neutrales Kohlenstoffatom existiert. Gleichzeitig eröffnet sie neue Möglichkeiten für organische Reaktionen mit potenziellen Anwendungen in der Synthese, Katalyse und Materialwissenschaft.
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Synthese von monosubstituiertem Ph3P→C durch lichtgetriggerte Stickstoffeliminierung (oben) und theoretische Beschreibung der Bindung (unten), die zeigt, dass der Kohlenstoff in seinem atomaren Triplett-Grundzustand vorliegt
Dr. Dimitrios Pantazis / MPI für Kohlenforschung
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