Metamaterialien: Stark verdrehte Stäbe speichern große Mengen Energie

Am KIT entwickelte neue mechanische Metamaterialien weisen hohe Steifigkeit und hohe elastische Energiedichte auf

31.03.2025

Mechanische Metamaterialien mit hoher elastischer Energiedichte hat ein am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordiniertes internationales Team von Forschenden entwickelt. Dank stark verdrehter Stäbe, die sich spiralförmig verformen, weisen sie eine hohe Steifigkeit auf und können große Mengen elastischer Energie aufnehmen und wieder abgeben. Ihre zunächst theoretisch ermittelten Ergebnisse bestätigten die Forschenden durch einfache Druckexperimente. Sie berichten in der Fachzeitschrift Nature.

IAM, KIT / Collage: Anja Sefrin, KIT

Das Modell zeigt die spiralförmige Verformung des Metamaterials. Dank dieses Mechanismus lässt sich eine große Menge Energie speichern, ohne dass es zu Brüchen kommt.

Ob Federn zur Energieaufnahme, Puffer für die Energiespeicherung, aber auch flexible Strukturen in der Robotik oder in energieeffizienten Maschinen: Viele Technologien erfordern eine mechanische Energiespeicherung. Dabei wird kinetische Energie, also Bewegungsenergie, oder entsprechende mechanische Arbeit so in elastische Energie umgewandelt, dass sie bei Bedarf wieder vollständig freigesetzt werden kann. Zentrale Kenngröße dafür ist die Enthalpie – die Energiedichte, die sich in einem Materialelement speichern und zurückgewinnen lässt. Peter Gumbsch, Professor für Werkstoffmechanik am Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT, erklärt die Herausforderung, eine möglichst hohe Enthalpie zu erreichen: „Die Schwierigkeit besteht darin, widersprüchliche Eigenschaften zu kombinieren: hohe Steifigkeit und große rückstellbare Verformung bei limitierter Festigkeit.“

Spiralförmig verformte Stäbe sind geschickt in Metamaterialien angeordnet

Künstlich entworfene Materialien, wie sie in der Natur nicht vorkommen, sogenannte Metamaterialien, ermöglichen es, effektive Materialeigenschaften anzupassen, da sie sich aus einzeln bestimmten Einheiten aufbauen lassen. Peter Gumbsch, der auch das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg leitet, ist es in einem internationalen Forschungsteam aus China und den USA nun gelungen, mechanische Metamaterialien mit hoher rückgewinnbarer elastischer Energiedichte zu entwickeln. „Zunächst entdeckten wir einen Mechanismus, mit dem sich eine große Menge Energie in einem einfachen Rundstab speichern lässt, ohne dass dieser bricht oder sich dauerhaft verformt“, sagt Gumbsch. „Diesen haben wir dann durch geschickte Anordnung der Stäbe in einem Metamaterial integriert.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschreiben den Mechanismus anhand der Funktionsweise einer klassischen Biegefeder. Diese ist in ihrer maximalen Verformung dadurch limitiert, dass an der Ober- und Unterseite hohe Zug- beziehungsweise Druckspannungen entstehen, die zum Bruch oder zur dauerhaften plastischen Verformung führen. In solch einer Biegefeder ist das gesamte innere Volumen nur geringfügig belastet. Wenn aber stattdessen ein Stab tordiert, das heißt sich verdreht, steht zwar ebenfalls die gesamte Oberfläche unter hohen Spannungen, aber das unbelastete Volumen im Inneren ist wesentlich kleiner. Um diesen Mechanismus wirklich nutzen zu können, muss allerdings die Torsion so groß werden, dass sie zu einer komplexen spiralförmigen Verformung führt.

Enthalpie ist zwei- bis 160-fach höher als bei anderen Metamaterialien

Den Forschenden ist es gelungen, solche torsionsbelasteten und spiralförmig verformten Stäbe in ein Metamaterial zu integrieren, das sich makroskopisch unter einachsigen Lasten nutzen lässt. Anhand von Simulationen sagten sie voraus, dass das Metamaterial eine hohe Steifigkeit besitzt und daher große Kräfte aufnehmen kann. Zudem weist es eine zwei- bis 160-mal höhere Enthalpie als andere Metamaterialien auf. Dies bestätigten sie mit einfachen Druckexperimenten an verschiedenen chiralen Metamaterialien, also Metamaterialien mit spiegelbildlich aufgebauten Strukturen.

„Unsere neuartigen Metamaterialien mit hoher elastischer Energiespeicherkapazität könnten in Zukunft in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen, in denen eine effiziente Energiespeicherung und zugleich außergewöhnliche mechanische Eigenschaften gefragt sind“, so Gumbsch. Neben der Energiespeicherung in Federn seien auch Stoßaufnahme oder -dämpfung sowie flexible Strukturen in der Robotik oder in energieeffizienten Maschinen denkbar. Die im Inneren der Metamaterialien auftretenden Drehungen könnten aber auch in rein elastischen Gelenken eingesetzt werden.

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