Wie man Atome verwirrt: Neuer Mechanismus der Glasbildung entdeckt
Nun gelang es Forschern von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel um Professor Franz Faupel erstmalig, die Beweglichkeit (Diffusionskoeffizienten) aller Elemente einer glasbildenden Legierung über den gesamten relevanten Temperaturbereich zu bestimmen. Wie die Wissenschaftler in Physical Review Letters berichten, konnten sie in der Legierung Pd43Cu27Ni10P20 durch ihre Messungen einen fundamentalen Mechanismus der Glasbildung identifizieren. Sie zeigten, dass die Beweglichkeit der großen Palladiumatome während des Abkühlens der Schmelze kurz vor dem Erstarren zum Glas rund 10.000 Mal geringer ist, als die Beweglichkeit der übrigen Elemente. "Computersimulationen zufolge bilden die größten Atome in der Schmelze eine Art Käfig, in dem die anderen Atome eingesperrt werden. Bisher konnte dieser Vorgang aber experimentell nicht beobachtet werden", erklärt Faupel. Die verhältnismäßig großen Palladiumatome bilden dabei ein starres Netzwerk, noch lange bevor die Glassübergangstemperatur erreicht ist, bei der die flüssige Schmelze zum festen Körper erstarrt. Das langsame Untersystem der Palladiumatome verhindert dadurch eine schnelle Kristallisation der Legierung, so dass auch eine niedrige Kühlrate genügt, um die flüssige Unordnung einzufrieren.
"Der von uns entdeckte Mechanismus der Glasbildung ist so bedeutend, da er von universeller Natur ist", sagt Faupel. Die Ergebnisse verbessern daher das Verständnis des Übergangs eines mehrkomponentigen Materials vom flüssigen zum glasförmigen Zustand. Dank des besseren Verständnisses der Vorgänge bei der Glasbildung kann zukünftig zielstrebiger nach glasbildenden Legierungen gesucht werden.
Originalveröffentlichung: Physical Review Letters 2010, 104, 195901
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