Schädlichen Spannungen auf der Spur: Metall- und Kunststoffteile im Stresstest

27.09.2010 - Deutschland

Wie lange ein Werkzeug „lebt", wie gut eine Turbine oder ein Zahnrad die Dauerbelastungen des Betriebsalltags aushält, hängt entscheidend vom Herstellungsprozess ab. Am Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel entwickeln Wissenschaftler deshalb im Rahmen eines Sonderforschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) neuartige und kostengünstigere Produktionsabläufe für robuste Bauteile.

„Holz arbeitet" heißt es. Doch das gilt auch für Metalle, Verbundmaterialien und Kunststoffe. Bei der Herstellung von Flanschen, Wellen oder Zahnrädern entstehen beim Härtungsprozess durch die Einwirkung von Druck, Reibung und Hitze unerwünschte Spannungen im Material. Das ist besonders fatal, wenn es sich um gradierte Werkzeuge oder Bauteile handelt, also solche, die unterschiedliche Belastungen aushalten und verschiedene Funktionen gleichzeitig erfüllen sollen. So muss ein Zahnrad außen möglichst hart, innen aber weich und zäh sein. „Stimmt die Härteverteilung nicht, werden die Zähne schnell spröde und können abbrechen", so Professor Dr. Berthold Scholtes vom Institut für Werkstofftechnik an der Universität.

Der Wissenschaftler forscht an einer wichtigen Schnittstelle des 20 Teilprojekte umfassenden Sonderforschungsprogramms TRR 30 der DFG, bei dem die Universität Kassel eng mit den Hochschulen in Dortmund und Paderborn zusammenarbeitet. Denn auf dem Weg zu einer rationelleren Produktion und zugleich verschleißärmeren Bauteilen und Werkzeugen ist die Analyse der Spannungen, die bei unterschiedlichen Herstellungsprozessen unter dem Einfluss von Temperatur und mechanischen Belastungen entstehen, ein Schlüssel zum Erfolg.

Professor Scholtes unterscheidet Druck- und Zugspannungen im Gefüge eines Werkzeugs oder Bauteils. Schädlich sind die letzteren, weil sie die Lebensdauer eines Bauteils verkürzen und ein Werkzeug vorzeitig stumpf und unbrauchbar machen. Doch sie entstehen gerade durch die nötige Härtung des Stahls oder durch die Reibungshitze, die verursacht wird, wenn ein Werkzeug ein neues Bauteil bearbeitet. Die Kunst besteht darin, schon durch die Art des Fertigungsprozesses die unerwünschten Zugspannungen zu minimieren. Die erwünschten Druckspannungen an der Oberfläche des Materials kann man durch eine Änderung der Temperaturmaxima während der Abkühlungs- und Erhitzungsprozesse beim Härten oder auch durch nachträgliches Schleifen an den gewünschten Stellen erhöhen. Im Labor des Instituts werden Proben von experimentell hergestellten gradierten Materialien wochenlangen Stresstests unterzogen und die Verteilung der Spannungen im Röntgendiffraktometer untersucht.

Das Institut hat bereits vor dem Start des DFG-Projekts vor vier Jahren viele Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt: Eine Reihe von Firmen lassen Bauteile oder Werkzeuge, die überraschend frühzeitig unbrauchbar geworden sind, im Labor der Materialforscher testen, berichtet Professor Scholtes. Fernziel seiner Forschung ist nicht nur die Herstellung von neuartigen Bauteilen mit flexiblen Eigenschaften sondern auch eine kostengünstigere Fertigung. „Wir wollen Prozessschritte einsparen", sagt der Wissenschaftler. Für ein Hochlohnland wie Deutschland ist das ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, da Bauteile aus einem Guss Energie und Arbeitszeit sparen. Ein Zahnrad könnte, so hofft Professor Scholtes, bald in einem Produktionsschritt hergestellt werden. Momentan benötigt man noch mehrere. Die DFG sieht die Forscher offenbar auf gutem Weg dorthin. Sie hat den Forschungsauftrag für die Kasseler Uni, der mit etwa 2,5 Millionen Euro jährlich dotiert ist, bis 2014 verlängert.

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