AUSBLICK: Analysten sehen operatives Bayer-Ergebnis im 2. Quartal stagnieren
Für das zweite Quartal rechnen von der Nachrichtenagentur dpa-AFX befragte Analysten im Durchschnitt mit einem nahezu unveränderten operativen Ergebnis (EBIT) aus fortgesetzter Tätigkeit vor Sonderposten von 560 Millionen Euro. Die Spanne der Erwartungen ist dabei allerdings weit gefächert und reicht von 475 Millionen bis zu 642 Millionen Euro. Im entsprechenden Vorjahreszeitraum hatte der Konzern noch 555 Millionen Euro erwirtschaftet.
BUCHGEWINNE SPEISEN ÜBERSCHUSS
Nach Ansicht der Aktienexperten wird der Überschuss im zweiten Quartal insbesondere durch Buchgewinne aus Veräußerungen gespeist. So werden nach Steuern Buchgewinne aus dem Verkauf der Duft- und Aromatochter Haarmann & Reimer (H&R) in Höhe von 950 Millionen und 200 Millionen Euro durch den Agfa-Rest-Beteiligungverkauf positiv zu Buche schlagen. Der Quartalsüberschuss werde zwischen 278 Millionen und 444 Millionen Euro liegen, nach 564 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.
Beim Umsatz aus dem fortzuführenden Geschäft gehen die Schätzungen ebenfalls recht weit auseinander. Die Spanne reicht von 7,384 Milliarden bis 8,850 Milliarden Euro. Im Durchschnitt erwarten die Experten einen Umsatzrückgang auf 7,799 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte Bayer noch 7,956 Milliarden Euro umgesetzt. Damals hatte der Vermarktungsstopp des Cholesterinsenkers Lipobay noch keine tiefen Spuren in der Bilanz hinterlassen.
BAUSTELLE PHARMAGESCHÄFT
Im Pharmageschäft reißt unterdessen der Strom der schlechten Nachrichten nicht ab: Nach dem Lipobay-Debakel im 2001, den Produktionsproblemen mit dem Blutgerinnungsmittel Kogenate folgte jüngst ein Rückschlag für den Bayer-Hoffnungsträger Vardenafil. Dem Potenzmittel wird ein Umsatzpotenzial in Milliardenhöhe zugetraut. Doch die urprünglich für den Verlauf des zweiten Halbjahres 2002 geplante Markteinführung wird sich bis in das Jahr 2003 hinziehen.
Der Grund: Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hatte vor einer Freigabe zusätzliche klinische Studien gefordert. "Die Zeit ist nicht einfach für Bayer im Pharmageschäft", sagte Michael Butscher von der Bayerischen Landesbank. Die Verzögerung bei der Einführung von Vardenafil sei "sicher ein Problem", schließlich sei die Bayer-Produkt-Pipeline "nicht so breit".
MARGEN IM GESUNDHEITSBEREICH
Analyst Oliver Schwarz von der Baden-Württembergischen Bank weist auf ein weiteres Risiko hin: 2003 wird der US-Patentschutz für die orale Anwendung des Milzbrandmedikamentes Ciprobay auslaufen. Schwarz rechnet mit Umsatzeinbußen von 30 bis 40 Prozent. Auch die Margen im Gesundheitsgeschäft stehen nach Ansicht der Analysten weiter unter Druck.
"Die Margen im Gesundheitsbereich liegen unter dem Industriedurchschnitt", sagte Analyst Andreas Theisen von WestLB Panmure. Allmählich müsste sich eine Verbesserung einstellen. "Lipobay ist ein Jahr her," fügte der Experte hinzu. Vor allem bei Kogenate müssten sich Forschritte einstellen, sind sich Oliver Schwarz von der Baden-Württembergischen Bank und Theisen einig. "Das laufende Jahr ist ein Übergangsjahr", betonte Theisen. Doch bei der Suche nach einem Pharma-Partner zeigt sich Bayer wählerisch. "Das Anforderungspotenzial ist sehr hoch", sagte Schwarz. Auch Butscher zeigt sich skeptisch, "dass ein Partner im nächsten Halbjahr präsentiert werden kann".
KONJUNKTURLAGE PRÄGT CHEMIEGESCHÄFT
Die schwache Konjunktur lässt auch im Chemiegeschäft und bei Polymeren keine überwältigenden Sprünge erwarten. Beim Umsatzträger Polymere besteht nach Ansicht der Analysten weiter erheblicher Margendruck. Allerdings könnte sich das Wiederauffüllen der Lager im zweiten Quartal auf ein normales Niveau im Quartalsvergleich positiv auswirken. Knackpunkt sei allerdings ein Anziehen der Endnachfrage zum Beispiel für die Automobilindustrie oder auch am Bau. Zumindest in Europa sei die Nachfrage allerdings nach wie vor schwach. Schwarz von der Baden-Württembergischen Bank erwartet deshalb noch "keine signifikante Verbesserung".
Die Aussichten im Pflanzenschutzgeschäft sind angesichts der anhaltenden Krise in Lateinamerika und der erforderlichen Integrationsaufwendungen für Aventis CropScience nach Ansicht der Experten ebenfalls mit Fragezeichen behaftet. Die Restrukturierungskosten beziffert Schwarz für das laufende Jahr auf rund 500 Millionen Euro. Die von Bayer angestrebte EBIT-Marge von 20 Prozent 2006 sei "sehr ambitioniert", sagte Schwarz. In der Branche erreiche derzeit niemand eine so hohe Marge. Das Umsatzziel von 7 Milliarden Euro in drei bis vier Jahren liege "eher im Bereich des Möglichen".