Spirelli und Tagliatelle in der Nano-Welt

14.08.2002

Auch Wissenschaftler scheinen gerne italienisch essen zu gehen, wie sonst kämen sie auf die Bezeichnungen "Spirelli" und "Tagliatelle" für winzigste Strukturen, die sie mit ihren Elektronen- und Rasterkraft-Mikroskopen entdecken? Auf derartige Nano-Nudelanaloga stießen jüngst auch Markus Antonietti und Sascha General. Die Chemiker vom Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung arbeiten an der Synthese neuartiger Materialien mit hochgeordneten Strukturen im Nanometerbereich. Solche Materialien haben häufig interessante opto-elektronische Eigenschaften und könnten für die Nanotechnologie genutzt werden. Antonietti und General wollen nun auch Nanostrukturen mit biochemischer Funktionalität entwickeln.

Als Bio-Bausteine für Nanostrukuren bieten sich Oligopeptide, kurze Eiweißketten, an. Ausgedehnte künstliche Strukturen aus Oligopeptiden waren bisher allerdings noch nicht zugänglich. Für ihre Untersuchungen wählten die Potsdamer Forscher oxidiertes Glutathion. Es besteht aus zwei Peptid-Trimeren, die H-förmig über eine Brücke aus zwei Schwefelatomen mit einander verbunden sind. Glutathion wirkt als Co-Enzym und ist an einer ganzen Reihe wichtiger zellulärer Funktionen, beispielsweise Entgiftungsreaktionen, beteiligt.

Antonietti und General fanden einen Kniff, um ihr Peptid-"H" zum Selbstorganisationsprozess anzuregen: Sie geben Tensid- oder Lipid-Moleküle dazu, die aus einem negativ geladenen, hydrophilen "Kopf" und einem hydrophoben (wasserabweisenden) "Schwanz" bestehen. Mit ihren Köpfen lagern sie sich an positiv geladene funktionelle Gruppen der H-förmigen Peptide an. Als derartige Hybride sind die Peptide nicht mehr nur in Wasser, sondern auch in organischen Lösungsmitteln löslich. Etwa zehn Hybrid-Bausteine aggregieren jeweils zu einem langen Band, das sich dann wie ein Holzspan spiralig aufwindet - zum "Spirelli-Motiv". Wird das Lösungsmittel verdampft, entstehen transparente Filme, die flexibel, aber sehr hart sind. Diese Filme weisen eine hoch geordnete Nanostruktur auf: Die Bänder ordnen sich - hier nicht spiralig, sondern glatt - zu einer lamellenartigen Schichtstruktur an, die in Anlehnung an die italienischen Bandnudeln "Tagliatelle-Phase" genannt wird.

"Diese Art der Bildung von biologisch aktiven Filmen durch Selbstorganisation könnte beispielsweise genutzt werden, um Kleber für den Wundverschluss oder neue Darreichungsformen für die kontrollierte Versorgung mit Peptid-Wirkstoffen zu entwickeln," sagt Antonietti.

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