Verbesserter Muschelklebstoff
Biokompatibel, wassertauglich, selbstheilend und wiederablösbar: Neuer Kleber für die Medizin?
Früher galt Kleben als wenig haltbare Billiglösung. Moderne Klebetechniken sind dagegen Hightech-Verfahren, die beispielsweise Tragflächen von Flugzeugen zusammenhalten. Drei Punkte auf dem Klebtechniker-Wunschzettel sind aber noch offen: zuverlässiges Kleben unter Wasser, etwa für Reparaturen von Leckagen in Unterwasser-Pipelines oder zum Abdichten blutender Wunden während einer Operation, „selbstheilende“ Klebstoffe, die katastrophale Folgen eines Versagens verhindern, sowie Kleber, die sich „auf Befehl“ rückstandsfrei wieder ablösen lassen, beispielsweise um Bauteile leicht ersetzen oder Verbundstoffe beim Recycling gut zerlegen zu können.
In der Natur gibt es einen erstaunlich robusten, fest haftenden, universellen Kleber, der die ersten beiden Anforderungen erfüllt: Muscheln kleben sich damit unter Wasser an fast alle Arten von Oberflächen, von Steinen über Holzpfosten bis hin zu metallenen Schiffsrümpfen. Mit verantwortlich für diese erstaunliche Klebewirkung ist die Aminosäure Dihydroxyphenylalanin (DOPA). Die im Kleber enthaltenen DOPA-Gruppen reagieren unter Bedingungen, wie sie in Meerwasser herrschen, schrittweise zu einer quervernetzten Polymermatrix und sind in der Lage, fest an anorganische Oxide im Gestein zu binden. Zudem binden sie mehrwertige Metallionen des Meerwassers, z.B. Eisenionen, was dem Muschelkleber selbstheilende Eigenschaften verleiht.
Die Forscher um Aránzazu del Campo vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz haben sich von diesem Muschelkleber inspirieren lassen. Sie stellten vierarmige sternförmige Polymere her, an deren Enden sie Nitrodopamin-Gruppen knüpften. Diese Gruppen sind mit DOPA verwandt und verhelfen dem Kleber ebenso zu einer Vernetzung unter Wasser sowie zu Selbstheilungseigenschaften. So wuchs ein zerschnittenes Gel aus dem neuen Material innerhalb weniger Minuten wieder zusammen. Dank der Nitro-Funktion (–NO2) hat das durch Muschelkleber inspirierte Material noch einen zusätzlichen Bonus: Die Moleküle lassen sich durch Einstrahlung von UV-Licht spalten – der Kleber wird damit wiederablösbar.
Damit hat das Mainzer Team den Grundstein für eine wassertaugliche, selbstheilende, mit Oberflächen reagierende, unter Licht abbaubare und dazu biokompatible Klebstoffklasse gelegt. Mit dem neuen Kleber beschichtete Oberflächen bieten auch Zellkulturen ein ausgezeichnetes Substrat. Das Material könnte daher vor allem in der Medizin Verwendung finden, etwa als wieder ablösbare Gelpads für die Regeneration von Haut oder als reversibler Wundkleber für mehrmalige Operationen.
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