Nano-Müll verschwindet nicht
Forschungsgruppe Stark
Über 100 Millionen Tonnen Müll werden jährlich weltweit verbrannt. Mit steigendem Einsatz von Nanopartikeln, etwa in Baustoffen, Farben, Textilien oder Kosmetika, gelangen auch die Nanopartikel in die Verbrennungsanlagen. Was dort mit ihnen geschieht, war bis anhin nicht untersucht worden. Drei ETH-Teams aus den Bereichen der Chemie und Umweltingenieurswissenschaften wollten deshalb herausfinden, was mit synthetischem Nano-Ceriumoxid bei der Müllverbrennung in einer Kehrichtverbrennungsanlage geschieht. Ceriumoxid selber ist ein nicht-giftiges, keramisches Material, biologisch nicht abbaubar und als Grundbestandteil von Autokatalysatoren und Diesel-Russ-Filtern weit verbreitet.
Unbekannte Gefahr?
Fachleute befürchten, dass nicht abbaubare Nanomaterialien langfristig ähnlich schädlich für Umwelt und Mensch sein könnten wie etwa Asbest. Derzeit ist aber noch zu wenig über die Eigenschaften von den Nanomaterialien bekannt. Sicher ist, dass sich diese von größeren Partikeln des gleichen Stoffes stark unterscheiden. Nanopartikel sind mobiler und haben eine andere Oberflächenstruktur. Diese Eigenschaften zu kennen, ist mit zunehmendem Einsatz von Nanomaterialien von Bedeutung, da sie etwa durch Verbrennungsanlagen oder durch das Abwasser vom Menschen über die Nahrung, vielleicht auch über die Haut und die Atmung, aufgenommen werden und so in den Körper gelangen können.
Die Wissenschaftler haben deshalb in einer Solothurner Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) zehn Kilogramm Ceriumoxid-Partikel mit einem Durchmesser von 80 Nanometer auf zu verbrennenden Müll versprüht und so einen partikelreichen Abfall modelliert. In der Solothurner Anlage werden pro Stunde bis zu acht Tonnen Müll verbrannt. Sie verfügt über moderne Filter und Flugasche-Abscheidungssysteme, die auf elektrostatischen Filtern und Nassabscheidung basieren.
In einem zweiten Experiment wurden die Partikel direkt in den Verbrennungsraum gesprüht, und damit ein zukünftiger «schlimmster Fall» mit massiver Partikelfreisetzung in der Verbrennung nachgestellt. Begleitet und bewilligt wurde die Studie durch die SUVA, die Bundesämter für Gesundheit und Umwelt, sowie das Staatssekretariat für Wirtschaft.
Nanopartikel haften an Oberflächen
Die Untersuchungen der Forscher zeigten, dass sich das Ceriumoxid durch die Verbrennung nicht groß ändert. Die Vorrichtungen zur Flugascheabscheidung erwiesen sich als äusserst effizient: Im Abgas der Kehrichtverbrennungsanlage fanden die Wissenschaftler keine entwichenen Ceriumoxid-Nanopartikel. Dafür blieben die Nanopartikel jedoch lose auf den Verbrennungsrückständen in der Anlage und teilweise auch im Verbrennungssystem haften. Auch die aus dem Rauch abgeschiedene Flugasche enthielt Ceriumoxid-Nanopartikel.
Die Verbrennungsrückstände – und somit auch die ihnen anhaftenden Nanopartikel – landen heute auf Mülldeponien oder werden nochmals aufbereitet, um daraus beispielsweise Kupfer oder Aluminium zu extrahieren. Hier sehen die Forscher Handlungsbedarf. «Es muss sichergestellt werden, dass entsprechend neue Nanopartikel durch Mülldeponien nicht in den Wasser- und Nahrungskreislauf gelangen oder durch weitere Aufbereitungsmassnahmen in die Atmosphäre freigesetzt werden», sagt Wendelin Stark, Leiter der Studie und Professor für Chemie-Ingenieurwesen an der ETH Zürich. Außerdem müsse bei Wartungsarbeiten beachtet werden, dass sich im Verbrennungssystem Nanopartikel befinden könnten, die bei unzureichenden Schutzmaßnahmen eingeatmet werden könnten.
Abbaubare Nanoprodukte als Ziel
Doch wie lassen sich solche Probleme auf Dauer vermeiden? «Langfristig müssen alle Nanoprodukte abbaubar sein, sonst werden wir immer wieder mit dem Verbreitungsproblem konfrontiert werden», sagt Stark. «Persistenz ist das Grundproblem bei Asbest, bei Pestiziden in unserer Nahrungskette und Umwelt, der ozonzerstörenden Treibmittel in früheren Spraydosen sowie bei den Ansammlungen von Plastik im Ozean oder der Umwelt.» Um das bei den Nanopartikeln zu vermeiden, ist für den Wissenschaftler langfristig die Entwicklung abbaubarer Nanoprodukte der einzig sinnvolle Weg. Technisch sei dies nicht immer einfach und stelle die universitären und industriellen Entwicklungslabors noch vor große Herausforderungen.