Pneumatische Blende für die Kernfusion

25.09.2012 - Deutschland

Der Fusionsreaktor ITER soll ab 2020 demonstrieren, wie sich die Kernfusion als Energiequelle nutzen lässt. Das 100 Millionen Grad heiße Plasma in seinem Innern stellt Wissenschaftler vor gewaltige Herausforderungen. Bei direktem Kontakt droht es wichtige optische Instrumente in kurzer Zeit zu zerstören. Wie die empfindliche Optik durch neue Blenden- und Kühlsysteme geschützt werden kann, zeigen Jülicher Experten auf der internationalen Fusionskonferenz SOFT, die vom 24. bis zum 28. September 2012 in Lüttich stattfindet. Unter anderem soll eine patentierte, über Druckleitungen gesteuerte Klappe zum Einsatz kommen, die speziell für das angestrebte Ultrahochvakuum entwickelt wurde.

ITER soll erstmalig einen Energieüberschuss von 500 Millionen Watt für eine Dauer von etwa zehn Minuten erzeugen, um Erfahrungen für den Bau nachfolgender Fusionskraftwerke zu ermöglichen. Nicht nur die Brennkammer, auch die gesamte Messtechnik muss für dieses von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt gemeinsam verfolgte Fusionsexperiment völlig neu entwickelt werden. Zur Beurteilung der Plasmaeigenschaften und seiner Zusammensetzung sind optische Beobachtungsmethoden unerlässlich. Optische Elemente in Plasmanähe sind dabei extrem hohen Belastungen ausgesetzt. Das größtenteils aus Wasserstoff- und Heliumkernen bestehende Plasma trägt teils Material von Oberflächen ab, lagert aber auch Verunreinigungen an. Und um die Temperatur konstant zu halten, muss kontinuierlich Wärmeenergie abgeleitet werden.

„Die größte technologische Herausforderung besteht darin, geeignete Materialien und Bauformen zum Schutz und zur Kühlung der optischen Elemente zu finden, die sich auch im eingebauten Zustand reinigen lassen“, erläutert Dr. Olaf Neubauer vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung, Bereich Plasmaphysik, der die SOFT-Konferenz mit über 800 Teilnehmern in diesem Jahr zusammen mit Kollegen aus dem Forschungszentrum und seinen Partnereinrichtungen organisiert. Alle Komponenten in der Brennkammer von ITER lassen sich im Wesentlichen nur über fernbedienbare Werkzeuge oder Roboter warten. Auf der Tagung stellen die Jülicher Plasmaforscher ein neues Blendensystem für ein Spektrometer vor, das die Optik außerhalb der Messzeiten schützt, speziell während der Zündung, wenn die meisten verunreinigenden Partikel mobil sind.

Quelle: Forschungszentrum Jülich

Das Blendensystem ist Teil eines Ladungsaustausch-Spektrometers, mit dem zahlreiche wichtige Messgrößen aus dem Zentralplasma von ITER bestimmt werden sollen.

„Bei der Konstruktion galt es vor allem zu beachten, dass die Blende noch höheren Belastungen ausgesetzt ist als die Optik selbst. Zudem musste ein Bewegungsmechanismus erfunden werden, der mit den extremen Plasmabedingungen und dem Ultrahochvakuum verträglich ist“, berichtet David Castaño Bardawil. Gewöhnliche Lager scheiden wegen ihres Abriebs aus, die Jülicher Lösung setzt daher auf biegsame Arme. Bewegt werden sie durch einen eigens entwickelten und patentierten Pneumatikzylinder, dem unter Druck Helium zugeführt wird – elektrische Steuerungen sind wegen starker, störender Magnetfelder in der Brennkammer ungeeignet. „Die Blende wird zusätzlich durch einen Schirm aus Molybdän geschützt, der die Wärmestrahlung reflektiert. Zusammen mit einer ausgeklügelten Kombination aus wärmeleitenden und isolierenden Materialien sorgt er für eine akzeptable Temperatur“, so der Ingenieur aus Neubauers Arbeitsgruppe.

Weitere Jülicher Forscher stellen auf der SOFT 2012 neue Konzepte vor, um die Instrumentenspiegel unter den Extrembedingungen gleichmäßig herunterzukühlen. „In der Nähe der Kühlkanäle entstehen auf der Spiegeloberfläche große Temperaturunterschiede. Mit Hilfe von Simulationsrechnungen wurde der Verlauf soweit optimiert, dass sich die Abweichungen minimieren“, erklärt Andreas Krimmer, ebenfalls beschäftigt im Bereich Fusionstechnologie. Der temperaturbedingte, hohe Druck des Kühlmediums verursacht weitere Verformungen. Derzeit testen die Forscher verschiedene elastische Materialien, um die Deformationen auszugleichen – und sorgen so mit dafür, dass 2020 in Cadarache das erste Fusionsplasma brennen wird.

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