Chemieindustrie: Asien läuft Europa den Rang ab
A.T. Kearney veröffentlicht Studie „Chemical Industry Vision 2030: A European Perspective“
© A.T. Kearney 2012
Die europäische Chemieindustrie steht vor großen Herausforderungen. Durch das enorme Wirtschaftswachstum in Asien verschieben sich die Lieferketten zunehmend in Richtung Osten. Außerdem verändert sich die Wettbewerbslandschaft, staatlich kontrollierte Marktteilnehmer und aufstrebenden Chemieriesen entstehen. Zunehmende wirtschaftliche Volatilität schließlich setzt die Branche zusätzlich unter Druck.
Seit Mitte der achtziger Jahre ist die weltweite Chemieindustrie um jährlich 7 Prozent gewachsen und erreichte 2010 ein Volumen von 2,4 Billionen Euro. Der größte Teil des Wachstums entstand in den letzten 25 Jahren in Asien. 2010 wurde dort nahezu die Hälfte des weltweiten Umsatzes getätigt. Auf Europa entfielen 25 Prozent, auf die NAFTA-Region 19 Prozent.
2030: Zwei Drittel des Marktes in asiatischer Hand
Bis 2030 wird die weltweite Chemieindustrie um durchschnittlich 3 Prozent im Jahr wachsen, getrieben vor allem durch die großen Player in Asien und im Nahen Osten. Aufgrund ihres Heimvorteils werden die Marktteilnehmer aus diesen Regionen bis 2030 zwei Drittel des weltweiten Umsatzes auf sich vereinen. Auf Europa werden dann nur noch 15 Prozent des weltweiten Marktvolumens von 4,6 Billionen Euro entfallen, auf die NAFTA-Region 12 Prozent.
Asiatische Marktteilnehmer haben bereits in der Vergangenheit vom stärkeren Wirtschaftswachstum profitiert. Dies wird auch anhand der Fortune 500-Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen weltweit deutlich. Dr. Joachim von Hoyningen-Huene, Principal in der Chemie und Öl Practice von A.T. Kearney erklärt: „Zwischen 2002 und 2011 hat die Anzahl der Unternehmen aus aufstrebenden Volkswirtschaften mit einer Wachstumsrate von 19 Prozent zugelegt. Die Anzahl der Firmen aus entwickelten Ländern hingegen ist rückläufig. Das stellt die Etablierten vor echte Herausforderungen.“
Moderates Wachstum in Europa
Mit durchschnittlich einem Prozent jährlich wird das Wachstum der Chemieproduktion in den 27 EU-Staaten moderat ausfallen. Lag das Produktionsvolumen 2010 bei rund 490 Milliarden Euro, wird es 2030 voraussichtlich 587 Milliarden Euro betragen. Mit durchschnittlich 2,6 Prozent pro Jahr werden die konsumentennahen Chemikalien am stärksten zulegen und 2030 18 Prozent des Marktes ausmachen. Die organischen Chemikalien, die den größten Block darstellen, werden um lediglich einen Prozentpunkt von 50 auf 51 Prozent zulegen. Für Polymere und anorganische Basischemikalien wird ein Null-Wachstum erwartet.
Das langsame Wachstum gepaart mit anhaltenden Produktivitätssteigerungen kann zu einem signifikanten Beschäftigungsrückgang in der europäischen Chemieindustrie führen, wenn nicht der Weg in weitere Dienstleistungen oder Innovationen gefunden werden kann.
Potenzial nach Regionen
Europa ist für europäische Chemieunternehmen weiterhin der wichtigste und größte Markt. Dort sind sie insgesamt gut aufgestellt. In den Märkten in Übersee ist ihre Positionierung jedoch oftmals ausbaufähig; dort liegen erhebliche Wachstumschancen, so ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie.
Drei Handlungsempfehlungen für zukünftiges Wachstum
Für europäische Chemieunternehmen kommt es nun darauf an, sich zügig auf das sich wandelnde Marktumfeld einzustellen. Die Autoren der Studie haben drei konkrete Handlungsempfehlungen formuliert, um sich erfolgreich im Markt zu behaupten. Von Hoyningen-Huene erklärt: „Für europäische Chemieunternehmen gilt es, ihre heimischen Märkte zu verteidigen, Wachstumsplattformen zu entwickeln und stärker am Wachstum in Asien teilzuhaben, um im Wettbewerb zu bestehen.“
Hoyningen-Huene erklärt: „Wir raten unseren europäischen Kunden, sich nicht ausschließlich auf China zu fokussieren. Es stimmt zwar, dass China ein sehr attraktiver Markt ist, es müssen aber zahlreiche Risiken bedacht werden wie Preissensibilität, steigende Personalkosten, politische Unsicherheit, mächtige Behörden und Probleme beim Schutz geistigen Eigentums.“