REACH & GHS: Anwenderforum in Köln versorgt Praktiker mit Tipps für den Unternehmensalltag
Die Fachveranstaltung beschäftigte sich mit Datenregistrierung und -nutzung, Sicherheitsdatenblättern und den Chancen der Produktverantwortung
Verwendung von Expositionsszenarien im Betrieb
Ein bedeutender Teil der Produktverantwortung sei es, Expositionsszenarien (ES) zu erstellen, die dazu dienten, die verschiedenen Abschnitte im Lebenszyklus von Produkten abzubilden und eine Bewertung von diesen durchzuführen, zeigte Simon Steinmeyer (Chemetall GmbH) auf. Das Gesamtszenario setze sich dabei aus bis zu drei Teilexpositionsszenarien zusammen, welche die Freisetzung eines Stoffes in der Umwelt, die Exposition von Arbeitnehmern und der Verbraucher berücksichtigten. Das Umwelt-ES stelle jedoch stets das Leitexpositionsszenario dar. Ein ES müsse für registrierte Stoffe von >10 t/a durch den Stoffproduzenten erstellt werden - für Gemische sei es dagegen nicht vorgeschrieben. Dies bedeute, dass nicht bei jedem registrierten Stoff ein Expositionsszenario angehängt sei. Die ES für Gefahrstoffe müssten im Betrieb stets in die Gefährdungsbeurteilung einfließen bzw. müsse geprüft werden, ob die in den ES enthaltenen Risikominderungsmaßnahmen angewendet würden oder vergleichbare installiert seien, erklärte Steinmeyer.
Wichtig sei es zudem, angegebene Herstellungsszenarien mit den tatsächlichen Produktionsbedingungen im Betrieb abzugleichen. Als problematisch stufte Steinmeyer ein, dass bislang nur wenige elektronische Sicherheitsdatenblätter (eSDB) von Lieferanten verfügbar seien, die Informationen zu ES enthielten. Die vorhandenen seien zudem häufig unvollständig und uneinheitlich. Aus diesem Grund sei meistens nur eine eingeschränkte Überprüfung der eingegangenen Lieferanten-ES möglich.
Sicherheitsdatenblätter richtig abfassen
Passend dazu erläuterte Karin Merkl (Merck KGaA) die wichtigsten Bestimmungen
zu Sicherheitsdatenblättern (SDB). Diese stellten das Bindeglied zwischen der REACH- und der CLP-Verordnung dar und seien das zentrale Instrument der Informationsübermittlung für das Inverkehrbringen gefährlicher Stoffe bzw. Gemische entlang der Lieferkette, so Merkl. Daher müssten sie klar und prägnant abgefasst sein und von einer sachkundigen Person erstellt werden. Ab 01. Dezember 2012 könnten SDB für Gemische optional gemäß den Bestimmungen der CLP-Verordnung gestaltet werden, ab 01. Juni 2015 werde dies jedoch verbindlich. In jedem Fall müssten die Sicherheitsdatenblätter Auskunft über Verwendungen bzw. Endanwendungen geben, PBT und vPvB-Stoffe sowie SVHC-Stoffe der Kandidatenliste ab >0,1% aufführen und Aussagen zu Wirkungen von Inhaltsstoffen und sinnvollen Risikomanagementmaßnahmen machen. Ab 2015 sei auch die Verwendung von Gefahrenpiktogrammen als graphische Darstellung und die Einstufung nennpflichtiger Bestandteile laut CLP obligatorisch. Zudem werde die Liste der Gefahrenklassen um spezifische Zielorgantoxizität (STOT) erweitert und es müsse auf die Art der Exposition (einfach/wiederholt) hingewiesen werden, so Merkl.
Studiennutzung zur Registrierung unter REACH
Zur Registrierung eines Stoffes müssen Hersteller lediglich Studienzusammenfassungen bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einreichen. REACH verlange jedoch, dass ein Registrant im rechtmäßigen Besitz eines umfassenden Studienberichts sei oder zumindest das Recht besitze, auf diesen zu verweisen, machte Matti Sander (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA) deutlich. Eine Zugangsberechtigung (auch "letter of access" - LoA) sei dabei nur für solche Studien erforderlich, die man nicht selbst besitze. Wer nicht im Besitz eines LoA sei, könne keine Registrierung erhalten - es gelte das Prinzip "no data, no market". Grundsätzlich seien der Besitz eines Studienberichts und eine Zugangsberechtigung gleichberechtigt, führte Sander weiter aus. Allerdings müsse man bei der Datennutzung genau unterscheiden, ob es sich tatsächlich um eine Zugangsberechtigung im eigentlichen Sinn handele oder nicht. Werde eine Studienzusammenfassung verbunden mit dem Recht zur Verfügung gestellt, auch auf den Prüfbericht bzw. umfassenden Studienbericht Bezug nehmen zu dürfen, sei dies eine vollwertige Zugangsberechtigung. Umgekehrt stelle die vertraglich geregelte Nutzung einer kompletten Studie keine Zugangsberechtigung dar. Eine Möglichkeit zur Nutzung fremder Studienzusammenfassungen ohne Zustimmung des Erstregistranten
bestehe über die 12-Jahresregel. Nach dieser könnten Studienzusammenfassungen, die vor mindestens 12 Jahren zur Registrierung vorgelegt wurden, auch von anderen Herstellern bzw. Importeuren zum Zweck der eigenen Registrierung verwendet werden, schloss Sander.
Registrierung in der EU und außerhalb
Auch Dr. Michael Cleuvers (Dr. Knoell Consult) nahm sich in seinem Vortrag der Chemikalienregistrierung an. Jedes Unternehmen solle kritisch prüfen, ob das eigene REACH-Dossier den Anforderungen der ECHA Stand halte, empfahl Cleuvers. Die Behörde nehme ihren Job sehr ernst und übe ihre Kompetenzen dementsprechend humorlos aus. Dies mache sie sehr effektiv, bedeute aber für Unternehmen, die an einer Registrierung interessiert seien, besonders wachsam sein zu müssen. Im Zweifelsfall solle man bei Datenlücken oder schwachen Waiving-Argumenten lieber nachbessern. Der "Mut zur Lücke" bzw. eine "Augen zu und durch"-Strategie werde auf lange Sicht im Hinblick auf die ECHA nicht erfolgreich sein können, unterstrich Cleuvers. Firmen, die (Neu-)Stoffe auch in Nicht-EU-Ländern vermarkten wollten, müssten sich zusätzlich auf zum Teil stark voneinander abweichende Gesetzgebungen mit unterschiedlichen Datenanforderungen einstellen. Viele Staaten hätten ihr eigenes Chemikalieninventar, so z.B. China, dessen Inventar IECSC 45.000 Stoffe beinhalte. Alle Stoffe, die in diesem nicht gelistet seien, würden als Neustoffe gelten und müssten vor dem ersten Import bzw. der ersten Herstellung notifiziert werden, erklärte Cleuvers. Aus diesem Grund sei es wichtig, stets im Voraus alle relevanten Chemikalieninventare zu überprüfen und sich mit den geltenden Notifizierungsbestimmungen und eventuellen Strafmaßnahmen vertraut zu machen. Es sei durchaus möglich, dass je nach Zielmarkt mehr als eine Studie pro Endpunkt durchgeführt werden müsse, um den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden. Dies könne mitunter enormen (zeitlichen) Aufwand bedeuten. Cleuvers riet Unternehmen, die mit ihren Stoffen außereuropäische Märkte betreten wollen, deshalb, sich frühzeitig darüber zu informieren, ob und wenn ja welche Datenlücken für die Zulassung der eigenen Stoffe bestehen und im Hinblick auf Kosten und Timing von Marketing- und Sales-Aktivitäten den "most critical endpoint" zu bestimmen.
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