Neuer Kühler für COSY mit 2 Millionen Volt

11.12.2012 - Deutschland

Ein neuer Elektronenkühler für den Jülicher Teilchenbeschleuniger COSY ist nach 12-tägigem Transport per Schwerlaster über knapp 6.000 Kilometer aus Nowosibirsk am Forschungszentrum Jülich angekommen. Das im Zusammenarbeit mit dem Budker Institute of Nuclear Physics entwickelte 2-Megavolt-Kühlsystem erweitert die Möglichkeiten, mit COSY extrem seltene, hochenergetische Zerfallsprozesse nachzuweisen, die bei der Suche nach exotischen Formen der Materie und Effekten jenseits des physikalischen Standardmodells eine Rolle spielen.

Forschungszentrum Jülich

Anlieferung des neuen Elektronenkühlers beim Jülicher Teilchenbeschleuniger COSY.

Budker Institut

Skizze vom Aufbau der Elektronenkühlung mit Hochspannungstank (unten links), gefüllt mit Schwefelhexafluorid als Isoliergas, und der Kühlstrecke (oben rechts).

Forschungszentrum Jülich
Budker Institut

„Ein Elektronenkühler dieser Größenordnung stellt experimentiertechnisches Neuland dar“, hebt Prof. Sebastian M. Schmidt, Mitglied des Vorstandes des Forschungszentrums Jülich, hervor. „Damit lassen sich erstmals Effekte studieren, die bisher im statistischen Rauschen verborgen blieben. Darüber hinaus sind die Erfahrungen in der Nutzung an COSY eine unverzichtbare Vorstufe für die Realisierung der hochenergetischen Elektronenkühlung am zukünftigen Speicherring HESR am GSI in Darmstadt, bei dem Spannungen von bis zu 8 Megavolt beherrscht werden müssen.“

Bei Experimenten mit Teilchenbeschleunigern zählt nicht nur die Leistung, es kommt auch auf die Qualität des erzeugten Strahls an. Der Jülicher Speicher- und Beschleunigungsring COSY (COoler SYnchrotron) mit einem Umfang von 184 Metern zielt – anders als Hochenergiebeschleuniger wie der Large Hadron Collider am CERN – auf Präzisionsstrahlen im mittleren Energiebereich ab. Dieser Übergangsbereich von Kern- und Teilchenphysik ist beispielsweise relevant für die Untersuchung exotischer Teilchen oder Effekte, bei denen sich die Symmetrieeigenschaften der Elementarteilchen bemerkbar machen.

Viele dieser, nach dem Standardmodell der Physik teilweise sogar „verbotenen Zerfälle“, für die sich die Wissenschaftler interessieren, finden extrem selten statt. Nur mithilfe eines scharf definierten Teilchenstrahls lässt sich entscheiden, ob ein Experiment nur Zufallstreffer oder ein statistisch gesichertes Ergebnis liefert. COSY ist einer der wenigen Beschleuniger, bei dem dazu gleich zwei verschiedene Kühlungsverfahren parallel betrieben werden: eine sogenannte stochastische Kühlung und eine Elektronenkühlung, wobei letztere bisher auf den Niedrigenergiebereich begrenzt war.

„Der vorhandene Elektronenkühler erreicht maximal 100 Kilovolt, mit dem neuen Gerät lassen sich dagegen bis zu 2 Megavolt erzeugen. Das erlaubt es, die Strahldichte im gesamten Energiebereich von COSY entscheidend zu erhöhen, sowie die Strahllebensdauer für die internen Experimente, die neuartige, sehr dichte Targets verwenden, zu verbessern“, berichtet Dr. Vsevolod Kamerdzhiev vom Jülicher Institut für Kernphysik (IKP). Die stochastische Kühlung allein wäre nicht in der Lage, die Aufheizung des Strahls aufzuhalten.

Bei der Elektronenkühlung wird ein Elektronenstrahl eingeschleust, dessen Geschwindigkeit mit der mittleren Geschwindigkeit der Teilchen im Beschleuniger übereinstimmt. Auf der geraden Kühlstrecke – im neuen Kühler ist sie etwa 2,7 Meter lang – wechselwirken die Protonen des umlaufenden Strahls mit dem überlagerten Elektronenstrahl, und zwar im Schnitt umso mehr, je stärker sie vom gewünschten Mittelwert abweichen. Ein extrem präzise ausgerichtetes Magnetfeld sorgt dafür, dass die Elektronen unterwegs “kalt“ bleiben, sich also weiter gleichförmig fortbewegen. Die Abweichungen des Magnetfelds sind dabei so gering, dass sie sich nur mit eigens dazu entwickelten, lasergestützten Messverfahren feststellen lassen. Am Ende der Kühlsektion werden die Elektronen abgekoppelt und wieder aufgefangen.

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