Insektizidbelastungen von Gewässern: Derzeitige Messung und Bewertung zeigt Schwächen
Aktuelle Studie weist nach: Kurzfristige Belastungsspitzen von Insektiziden werden nur selten erfasst
Carsten Brühl, Universität Koblenz-Landau
Im Gegensatz zu Herbiziden und Fungiziden, die meist vorbeugend wirken und häufig ausgebracht werden, werden Insektizide nur bei akutem Insektenbefall eingesetzt. Entsprechend werden auf den Feldern kurzfristig hohe Dosierungen verwendet, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Obwohl Insektizide oft nur kurze Halbwertszeiten in der Umwelt aufweisen, gelangen diese hochgiftigen Stoffe in Gewässer und können dort Insekten und andere wirbellose Tiere schädigen. Diese reagieren sehr sensibel auf Insektizide, so dass sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft zugunsten unempfindlicher Arten verschieben kann.
Daher müssten bei der Gewässerüberwachung besonders dann Proben genommen werden, wenn Insektizide ausgebracht werden oder Starkregen diese in Gewässer einschwemmt. Aufgrund mangelnder Personalressourcen, zu geringer finanzieller Ausstattung und logistischer Einschränkungen werden jedoch meist regelmäßige, feste Termine gewählt.
Die aktuelle Praxis ist nicht geeignet
„Unsere Studie hat nachgewiesen, dass die gängige Praxis der Probenentnahme zur Untersuchung von Insektiziden in Gewässern ungeeignet ist“, erklärt Ralf Schulz vom Institut für Umweltwissenschaften Landau. „Demnach wird beispielsweise bei einer wöchentlichen Überwachung eines typischen landwirtschaftlichen Gewässers keine der gemäß Modellberechnungen insgesamt sechs Konzentrationsspitzen pro Jahr gefunden. Bei einer täglichen Entnahme werden lediglich zwei der sechs Spitzen ermittelt. Allein bei einer ereignisbezogenen Probennahme werden sämtliche Spitzen erfasst. Steigen die Gesamtkosten mit zunehmender Probenanzahl, fallen sie hingegen bei ereignisbezogenen Verfahren deutlich geringer aus. Zudem wäre hier der Nutzen wesentlich höher. Mit der aktuellen Praxis wird viel Geld verschwendet, da viele der zu festen Intervallen entnommenen Proben keine Insektizidkonzentrationen enthalten.“
Wenn die Gewässerüberwachung keine Insektizidbelastung in Gewässern und folglich auch keine Überschreitung der Grenzwerte feststellt, liegt dies also häufig nicht daran, dass die Gewässer tatsächlich unbelastet sind, sondern dass Proben zum falschen Zeitpunkt entnommen werden. „Die aus dieser Probenentnahme resultierenden Werte ergeben somit ein völlig falsches Bild der Insektizidbelastung“, ergänzt Sebastian Stehle, der Erstautor der Landauer Studie. „Werden in die Bewertung Ergebnisse einbezogen, die keine Gewässerbelastung nachgewiesen haben, wird sie verzerrt und eine falsche Sicherheit vorgetäuscht. Daher sollten bei Insektiziden Proben, die keine Belastung zeigen, nicht berücksichtigt werden – zumindest so lange das Belastungsmonitoring statisch erfolgt. Noch besser wären ereignisbezogene Probenentnahmen, zumindest in Hochrisikogebieten.“
Effiziente Gegenmaßnahmen
Die Belastung von Gewässern ließe sich bereits mit einigen kostengünstigen und effizienten Maßnahmen reduzieren: Zum Beispiel müssten dazu die Randstreifen zwischen landwirtschaftlich genutzter Fläche und Gewässer verbreitert und effektiv gestaltet werden. Hecken am Feldrand würden die Sprühabdrift reduzieren. Zudem wären Rückhaltebecken mit Pflanzen einzurichten, die laut vorangegangenen Studien des Instituts für Umweltwissenschaften Landau für Pestizide eine Gewässerreinigungsleistung von mehr als 70 Prozent besitzen.
„Gerade die Landwirtschaft ist sich ihrer Abhängigkeit von natürlichen Produktionsfaktoren wie Boden und Wasser bewusst und möchte möglichst rückstandsfreie und gesunde Produkte produzieren“, so Ralf Schulz. „Zusätzlich könnte die Landwirtschaft durch diese Maßnahmen einen wesentlichen positiven Beitrag zum Natur- und Artenschutz in einer ,Kulturlandschaft der Zukunft’ leisten.“