Von Nanosystemen zur Mesotechnologie
SFB an der Universität Bayreuth wird verlängert
Komplexe Systembausteine für innovative Anwendungen
Eine effiziente Energieumwandlung und -nutzung, eine nachhaltige Schonung von Umwelt und Ressourcen, aber auch Fortschritte in der Informationstechnologie zu fördern, sind zentrale Herausforderungen an die Materialchemie. Die in Zukunft benötigten Materialien werden Strukturen besitzen müssen, die deutlich komplexer sind als die Strukturen der heute bekannten Materialien. Hier setzt der SFB 840 an. Er kann dabei an die signifikanten Fortschritte anknüpfen, welche die Nanotechnologie bei der kontrollierten Herstellung strukturierter Nanopartikel erzielt hat. Diese Partikel haben eine Größe von weniger als 100 Nanometern und stehen als Baueinheiten für technologische Anwendungen zur Verfügung. Daher muss sich an diese Erfolge der Nanotechnologie nun ein weiterer Schritt anschließen: die Integration dieser Bausteine in größere Einheiten, nämlich in Systembausteine mit definierten Eigenschaften und Funktionen.
Die Mesotechnologie ist ein vergleichsweise junger Forschungszweig, der sich mit dieser Integration befasst. Sie macht es möglich, dass aus nanopartikulären Einheiten komplexe Systembausteine entstehen, die für innovative Anwendungen auf der makroskopischen Ebene genutzt werden können. "Der kontrollierte Übergang von der Nano- zur Meso-Skala gilt heute international als eine der großen Herausforderungen für die Nanotechnologie-Community", erklärt Prof. Dr. Josef Breu, der Sprecher des SFB 840.
Prozesse der kontrollierten Selbstorganisation:
Auf dem Weg zu neuen, hierarchisch aufgebauten Strukturen
Der SFB 840 widmet sich daher der Aufgabe, neue und komplexe Systembausteine zu entwickeln, die möglichst zielgenau auf die jeweils gewünschten Anwendungen zugeschnitten sind. Ein wesentlicher Schritt ist dabei das zielgerichtete Design der zugrunde liegenden nanoskaligen Einheiten. Diese sollen so programmiert werden, dass sie sich im Verlauf kontrollierter Prozesse in mesoskalige, hierarchisch aufgebaute Strukturen einfügen. Entscheidend ist dabei, wie die einzelnen Baueinheiten in und mit einer umgebenden Matrix oder Oberfläche zusammenwirken; denn aus diesen Wechselwirkungen gehen die gewünschten Materialeigenschaften hervor. Die Entwicklung neuer Systeme auf der Meso-Skala beruht also wesentlich auf Prozessen der kontrollierten Selbstorganisation, die sich zu hierarchisch aufgebauten Strukturen zusammenschließen. Die Bayreuther Wissenschaftler wollen deshalb von vergleichbaren Prozessen lernen, wie sie in der Natur vielfach anzutreffen sind. Perlmutt oder Knochen sind jahrtausendealte Beispiele dafür, dass winzige Partikel wie von selbst komplexe Strukturen bilden.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit auf technologischen Zukunftsfeldern
Der SFB ist durch die enge Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen aus der Chemie, der Physik und den Ingenieurswissenschaften geprägt. Dabei werden auf technologischen Zukunftsfeldern wegbereitende Systembausteine erschlossen. Auf dem Gebiet der Photovoltaik werden effizientere Lichtsammelsysteme und aktive Matrizen entwickelt; auf dem Gebiet der Katalyse richtet sich das Interesse auf hierarchisch poröse, hoch permeable Feststoffkatalysatoren, die bei der Katalyse in flüssiger Phase zum Einsatz kommen. Im Bereich der Photonik geht es um die Nutzung quasikristalliner Strukturen. Und im Bereich der Optoelektronik werden transparente, flexible Hochbarrierebeschichtungen erforscht.
Die in der ersten Förderperiode (2009 - 2013) erzielten Fortschritte erlauben schon jetzt eine wesentlich zielgenauere Realisierung von komplexen, funktionalen Systembausteinen. "In den letzten vier Jahren ist es uns gelungen, das wissenschaftliche Verständnis für Prozesse der Selbstorganisation bedeutend weiterzuentwickeln," berichtet Prof. Dr. Josef Breu. "Damit werden ineffiziente zeit- und materialintensive Trial-und-Error-Verfahren vermieden und wertvolle Materialressourcen geschont. Es freut uns sehr, dass die DFG es uns jetzt ermöglicht, die bisherigen wissenschaftlichen Erfolge auszubauen, technologische Innovationen zu fördern und auf der Basis unserer Forschungserfahrungen neue Herausforderungen anzugehen." In den kommenden vier Jahren soll die programmierte Selbstorganisation als elegantes, einfaches und preiswertes Verfahren weiterentwickelt werden, um die Herstellung hochkomplexer Materialstrukturen zu fördern. Insbesondere soll das Potenzial von Hybrid- und Kompositmaterialien in seiner ganzen Breite erforscht werden.
Der Bayreuther SFB 840 wird auch in Zukunft von der engen Zusammenarbeit mit dem Bayreuther Zentrum für Kolloide und Grenzflächen (BZKG) profitieren. Das BZKG, ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Universität Bayreuth, stärkt die Zusammenarbeit von Chemikern, Physikern und Ingenieurwissenschaftlern auf dem Bayreuther Campus und ist auf dem Gebiet der Kolloidforschung ein viel gefragter Partner für Industrieunternehmen.