Chancen und Risiken der CO2-Abscheidung und -Speicherung
Technologiebewertung zu technischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Umweltaspekten
Immer wieder betonen Studien die große Chance, CO2-Emissionen von Kohle- und Gaskraftwerken durch den Einsatz von CCS-Technologien zu reduzieren. In den klima- und energiepolitischen Zielen der Europäischen Union nehmen sie eine wichtige Rolle ein. Weltweit forschen Wissenschaftler an deren Entwicklung. Es gibt eine Reihe von technischen Optionen, das Gas abzutrennen und industriell zu nutzen. Auch sind verschiedene Möglichkeiten vorhanden, CO2 unter der Erde zu speichern. Kritiker warnen jedoch vor Gefahren für Mensch und Umwelt. Mit der Jülicher Studie liegt erstmals ein Gesamtüberblick über technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und Umweltaspekte sowie eine Bewertung der Erfolgsaussichten vor. Beteiligt waren Ingenieure, Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaftler aus Jülich sowie der RWTH Aachen und dem Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum.
14 Experten haben fünf Kriterien bewertet und gewichtet: Technik, Umweltfolgen, Wirtschaftlichkeit, gesellschaftliche Akzeptanz sowie politische Rahmenbedingungen. Dabei weichen die Meinungen der Experten durchaus voneinander ab. Unter dem Strich schneidet CCS bei der Umweltbewertung im Vergleich zu anderen Kriterien relativ gut ab. Insbesondere sind die Risiken von Pipelinetransport und On-Shore-Speicherung tragbar. Technisch ist der Einsatz für Industrieanlagen realisierbar. Allerdings muss der vergleichsweise geringe Wirkungsgrad weiter verbessert und die Flexibilität von Kraftwerken gesteigert werden, um den künftigen Anforderungen des Strommarktes gerecht zu werden. Hierzu fehlt es auch noch an Demonstrationsanlagen im großtechnischen Maßstab. Das macht auch genauere Kostenschätzungen schwierig. "Dennoch ist schon jetzt abzusehen, dass es zu hohen Kosten bei der Energieumwandlung im Kraftwerk - den sogenannten Stromgestehungskosten - und bei der CO2-Vermeidung kommt. Die Investition in CCS-Anlagen könnte sich erst ab einem langfristigen Zertifikatspreis von 40 Euro pro Tonne CO2 rechnen", erklärt der Jülicher Forscher Dr. Wilhelm Kuckshinrichs, einer der Herausgeber. Heute liegt der Preis bei rund drei Euro. Andererseits bedeutet ein Verzicht auf CCS, dass Deutschland in technische Alternativen investieren muss.
Kritisch sehen die Wissenschaftler die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. Fehlendes Wissen, spontane Einstellungen und falsche Vorstellungen erschweren nicht nur eine rationale Sicht der Menschen, sondern für die Forscher auch eine zuverlässige Abschätzung der Akzeptanz. Der fehlende Konsens in Deutschland spiegelt sich im nationalen CCS-Gesetz von 2012 wider, das die Entscheidung über eine wirtschaftliche Nutzung von CCS in eine unbestimmte Zukunft verschiebt. Doch gerade Akzeptanz und Kostenfrage sind neben den Umweltfolgen nach Meinung der Forscher die wichtigsten Faktoren, um sich für oder gegen die Technologie zu entscheiden.
International betrachtet hat sich die anfängliche Euphorie mancherorts in vorsichtige Zurückhaltung verwandelt. Das liegt vermutlich weniger an der öffentlichen Skepsis, sondern unter anderem an den wirtschaftlichen Risiken. Die EU hat beispielsweise für CCS vorgesehene Fördermittel noch nicht vergeben und zugleich beklagt, dass Investitionen von Wirtschaft und Mitgliedsstaaten hinter den Erwartungen zurückblieben. Wilhelm Kuckshinrichs und seine Kollegen vermuten, dass sich eine ablehnende Haltung Deutschlands auch auf andere EU-Staaten auswirkt. Sie halten es aber für möglich, dass es in Deutschland zu einer Neubewertung kommt – falls die Klimaschutzziele mit den im Augenblick favorisierten Optionen im Rahmen der Energiewende nicht erreicht werden.
Originalveröffentlichung
Wilhelm Kuckshinrichs, et al., Advances in Systems Analysis, Schriften des Forschungszentrums Jülich, Reihe Energie & Umwelt, Band 164, 2012, 354 Seiten.