Formel für thermische Speicherung von Elektroenergie

02.09.2013 - Deutschland

Dem Ilmenauer Maschinenbauprofessor André Thess ist es gelungen, den Wirkungsgrad der neuen Strom-Wärme-Strom-Energiespeichertechnologie (SWS-Energiespeichertechnologie) für beliebige Speichermedien mit einer einfachen Formel vorherzusagen. Mit dieser Formel wird es erstmals möglich, innovative SWS-Speichermodelle in die praktische Anwendung zu überführen. Über das Forschungsergebnis berichtet die Zeitschrift „Physical Review Letters“.

TU Ilmenau/Professor André Thess

Strom-Wärme-Strom-Energiespeicher: Schematische Darstellung des Warmwasserspeicherbehälters mit der Wärmepumpe (links) und der Wärmekraftmaschine (rechts)

Die ortsunabhängige und kostengünstige Speicherung elektrischer Energie in der Größenordnung des Tagesverbrauchs einer Großstadt (Gigawattstunden, GWh) ist ein ungelöstes Problem der Energietechnik. Ohne dessen Lösung wird die Integration regenerativer Energiequellen in den vorhandenen Energiemix nicht gelingen. Weder Pumpspeicherwerke noch Batteriespeicher oder Druckluftspeicherkraftwerke erlauben es, solche Energiemengen unabhängig von den geologischen Eigenschaften eines Standortes und zu niedrigen Preisen zu speichern.

Der Energiepionier Bodo Wolf hatte bereits im Jahre 2007 eine neue Energiespeicheridee patentiert: Elektroenergie wird mittels besonderer Wärmepumpen - sogenannter Hochtemperaturwärmepumpen - in Wärme umgewandelt und als heißes Wasser preiswert gespeichert. Bei Bedarf wird die thermische Energie des Wassers mittels spezieller Kraftwerksanlagen, so genannter transkritischer CO2-Dampfkraftanlagen, wieder in Elektroenergie zurückverwandelt. Dieses thermodynamische Prinzip wird heute als Strom-Wärme-Strom (SWS)-Energiespeicher bezeichnet. Andere Erfinder haben die SWS-Idee für weitere Wärmespeichermaterialien wie Salzschmelzen und Gesteinsschüttungen sowie auf Kältespeichermaterialien wie Eis und flüssiger Stickstoff verallgemeinert.

Doch gab es auf dem jungen Forschungsgebiet SWS bislang nur so genannte „Papierspeicher“. So bezeichnen Fachleute spöttisch die zahlreichen Energiespeicherideen, die bisher nur auf dem Papier oder als Miniaturmodelle existieren. Dass es noch keinen industrietauglichen SWS-Speicher gibt, liegt unter anderem daran, dass bislang kaum theoretische Vorhersagen über seinen Wirkungsgrad existieren. Der Wirkungsgrad eines Energiespeichers ist das Verhältnis zwischen wiedergewonnener und eingespeister Energie und wird in Prozent angegeben. Nach ihm bemisst sich die Effizienz von Energiewandlungen und Energieübertragung. Zwar gab es schon vereinzelte Versuche, Wirkungsgrade für spezielle SWS-Speichermaterialien und Gasturbinenprozesse zu berechnen, doch hatten die Ergebnisse bislang nur beschränkte Aussagekraft, weil sie von sehr vielen unsicheren Parametern abhingen und keine vergleichende Bewertung unterschiedlicher Speichermedien zuließen. In einer solchen Situation gibt kein Investor Geld für den Bau einer großen Pilotanlage aus.

Professor André Thess von der Technischen Universität Ilmenau hat nun erstmals eine vereinheitlichte Theorie vorgestellt, die die Wirkungsgrade von SWS-Energiespeichern mit einer einfachen Formel für beliebige Wärme- und Kältespeichermedien vorhersagt.

Während bisherige Theorien der SWS-Energiespeicher auf zahlreichen speziellen Annahmen beruhen, bedient sich die neue Theorie der Methode der endoreversiblen Thermodynamik. Diese Methode greift nur auf wenige fundamentale Postulate zurück und ist deshalb von großer Allgemeinheit. Überraschenderweise ist die neue Wirkungsgradformel – die „Speicherformel“ – recht einfach. Zudem hängt sie – ähnlich wie die in Expertenkreisen bekannte Carnot-Formel – nur von zwei Temperaturen ab: der Außentemperatur und der Wärmespeichertemperatur.

Die Speicherformel stellt zwar kein exaktes Abbild eines realen SWS-Energiespeichers dar, doch erlaubt sie eine grobe Abschätzung der Energiespeicherkapazität verschiedener Bauformen. Würde man beispielsweise das Berliner (Günther-Jauch-)Gasometer mit Wasser füllen und als Speicherbehälter für einen SWS-Energiespeicher verwenden, könnte man darin etwa 0,6 GWh Elektroenergie speichern. Dies würde ausreichen, um die Bewohner einer Großstadt wie Jena einen Tag lang mit Strom zu versorgen.

Auf die Frage nach dem genauen Wirkungsgrad antwortet Professor Thess: „Es hat wenig Sinn, Zahlen zu nennen, ohne gleichzeitig die Investitionskosten zu beziffern. Ein billiger Speicher mit 30 Prozent Wirkungsgrad kann unter Umständen wirtschaftlicher sein als ein teurer Speicher mit 60 Prozent“. Jedenfalls verrät die Speicherformel, dass in einem Kilogramm Wasser durch Erwärmen mindestens zehnmal mehr Elektroenergie gespeichert werden kann, als wenn man es in einem Pumpspeicherwerk um 300 Meter anhebt. Die Speicherformel besagt auch, dass Wirkungsgrad und Speicherdichte mit höherer Speichertemperatur wachsen. Deshalb gibt es parallel zu geplanten SWS-Energiespeichern auf Wasserbasis auch Überlegungen für Salzschmelzen oder Gesteinsschüttungen als Speichermedien.

Künftige Pilotanlagen werden zeigen, ob die Speicherformel korrekt ist. Ein Vorteil der SWS-Technologie liegt indessen schon jetzt auf der Hand: Sie erfordert im Gegensatz zu Batterien keine teuren oder seltenen Materialien wie Lithium, sondern im einfachsten Fall nur Wasser und CO2.

 

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