Domänenwände als neue Informationsspeicher
Bewegung von Domänenwänden abgebildet: Materialdefekte spielen bei hohen Geschwindigkeiten keine Rolle mehr
André Bisig
Der Nanomagnetismus beruht auf kleinen Strukturen, sogenannten Domänen, die in ferromagnetischen Materialien einen Bereich einheitlicher Magnetisierung bilden. Innerhalb einer Domäne weist die Magnetisierung in eine bestimmte Richtung. Treffen Domänen unterschiedlicher Ausrichtung aufeinander, wird dieser Bereich als Domänenwand bezeichnet. An der JGU untersucht die Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Mathias Kläui die Eigenschaften magnetischer Domänen und die Dynamik von Domänen und Domänenwänden in nanoskopisch kleinen Ringen. An diesen Ringen von etwa 4 Mikrometer Durchmesser, bestehend aus Permalloy, einer weichen ferromagnetischen Nickel-Eisen-Legierung, konnten nun die Bewegungen der Domänenwand direkt beobachtet werden. Hierzu arbeiteten die Mainzer Physiker mit Wissenschaftlern der Synchrotronanlagen BESSY II des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie und ALS (Advanced Light Source), Lawrence Berkeley National Laboratory, Berkeley, USA, zusammen sowie mit der Technischen Universität Berlin und dem Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart.
Die Wissenschaftler konnten beobachten, dass die Geschwindigkeit der Domänenwände immer oszilliert. "Das ist ein neuer Effekt, den man vielleicht in Zukunft nutzen könnte", erklärt Dr. André Bisig. Es zeigte sich außerdem, dass die angewandte Methode sehr gut funktioniert, um die Domänenwände zuverlässig bei sehr hohen Geschwindigkeiten zu bewegen. "Je schneller wir die Domänenwand drehen, desto einfacher ist es, sie zu kontrollieren“, so Bisig. Eine weitere Beobachtung betrifft die Auswirkungen, die von Unregelmäßigkeiten oder Defekten in den Nanodrähten ausgehen. Diese Auswirkungen machen sich nur, so die Ergebnisse, bei langsamen Domänenwänden bemerkbar. Je schneller eine Domänenwand gedreht wird, umso weniger spielen Defekte im Material eine Rolle.
Während sich die Grundlagenforschung auf die Beobachtung der Domänenwandgeschwindigkeit und den Zusammenhang mit der Oszillation in der Spinstruktur bezieht, haben die Ergebnisse auch wichtige Konsequenzen für die anwendungsorientierte Forschung. So werden Domänenwand-basierte Sensoren bereits von der Firma Sensitec GmbH, Mainz, genutzt, einem Kooperationspartner der JGU und der TU Kaiserslautern, bei zwei vom Land Rheinland-Pfalz geförderten Projekten: der Spintronik-Technologieplattform in Rheinland-Pfalz (STeP) und dem Technologietransfer-Dienstleistungszentrum für Neue Materialien (TT-DINEMA). "Insbesondere unsere Beobachtung der störungsfreien Domänenwandbewegung bei hohen Domänenwandgeschwindigkeiten liefert einen vielversprechenden Ansatz, um diese Nanostrukturen für ultraschnell rotierende Sensoren zu nutzen", teilt Mathias Kläui dazu mit. Die Forschungen der Arbeitsgruppe Kläui werden durch einen ERC Starting Grant und die Exzellenz-Graduiertenschule Materials Science in Mainz (MAINZ) gefördert. Außerdem hat die Zusammenarbeit mit Sensitec zu einem gemeinsamen EU-Projekt mit sieben weiteren führenden Partnern geführt, das im Oktober 2013 die Arbeit aufnimmt: "Controlling domain wall dynamics for functional devices".
Originalveröffentlichung
A. Bisig et al., Correlation between spin structure oscillations and domain wall velocities, Nature Communications, 4:2328, 27. August 2013
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