Wie sich das Waschmittel der Atmosphäre regeneriert

Jülicher Troposphärenforscher weisen wirkungsvolles Recycling von Radikalen beim Isoprenabbau nach

07.10.2013 - Deutschland

Es klingt ungewöhnlich: Eine Waschmaschine recycelt benutztes Waschmittel, um es bei der nächsten Ladung Schmutzwäsche wiederzuverwenden. Doch genau das passiert beim Abbau von Schadstoffen in der Atmosphäre. Das haben Jülicher Wissenschaftler jetzt für Isopren, den wichtigsten natürlichen Kohlenwasserstoff, erstmalig nachweisen können.

Hydroxyl(OH)-Radikale – auch Waschmittel der Atmosphäre genannt – zersetzen Isopren in der Luft. Dabei entstehen neue OH-Radikale, die ihrerseits die Luft von weiteren Schadstoffen und Spurengasen reinigen können. Bislang hatte die Forschung über diesen Mechanismus nur spekulieren können. Die neuen Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht.

Die Atmosphäre verfügt über erstaunliche Selbstreinigungskraft. Chemische Prozesse sorgen dafür, dass Spurengase und Schadstoffe wieder aus der Atmosphäre entfernt werden – wie etwa das hauptsächlich von Wäldern produzierte Isopren. Ohne diese Prozesse wäre die Erderwärmung wesentlich größer und die Luftqualität deutlich schlechter. Noch vor einiger Zeit dachte die Wissenschaft, dass Isoprenabbau die Konzentration von OHRadikalen erheblich reduziert. Bei Untersuchungen in China hatten die Troposphärenforscher vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung jedoch zugleich hohe Konzentrationen von OHRadikalen und Spurengasen wie Isopren festgestellt. Andere Forschergruppen beobachten Ähnliches in der Luft über nordamerikanischen Wäldern und tropischen Regenwäldern. Die Schlussfolgerung lag nah, dass beim Isoprenabbau irgendetwas passiert, was OH-Radikale regeneriert. „Die Forschung hat in den letzten Jahren intensiv diskutiert, wie der Mechanismus aussehen könnte. Ohne tatsächlichen Nachweis blieb jedoch vieles Spekulation. Dieser Nachweis ist uns jetzt gelungen“, fasst der Jülicher Troposphärenforscher Dr. Hendrik Fuchs zusammen.

Dazu hatten die Wissenschaftler die natürlichen Bedingungen, wie sie in der Atmosphäre über China oder den tropischen Regenwäldern herrschen, in der Jülicher Simulationskammer SAPHIR nachgestellt. Diese Kammer erlaubt es, den Abbau auch geringer Mengen von Spurenstoffen zu simulieren. Sie ist mit exakt den gleichen Messgeräten ausgestattet, die auch bei Feldexperimenten eingesetzt werden. „Erst diese Kombination ermöglicht es, die Prozesse genau zu studieren. Mit SAPHIR haben wir in Jülich einzigartige Bedingungen“, betont Institutsleiter Prof. Andreas Wahner. Tatsächlich konnten die Jülicher Forscher den Mechanismus im Prinzip bestätigen und seine Auswirkung auf die OH-Regeneration mengenmäßig bestimmen. Der Prozess läuft wesentlich schneller ab, allerdings nicht so effektiv wie einige Forscher vermutet hatten.

Da der Abbaumechanismus beim Isopren jetzt verstanden ist, können die Wissenschaftler nun anfangen, die Rückkoppelungseffekte quantitativ zu untersuchen. Besonders interessant für die Jülicher Forscher sind die Zusammenhänge zwischen Selbstreinigungsprozessen der Atmosphäre und dem Klima. So bedeuten mehr OH-Radikale in der Luft, dass mehr Klimagase wie Methan abgebaut werden könnten. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zu allen anderen bekannten Mechanismen beim Abbau von Isopren weniger klimaschädliches Ozon in der Atmosphäre entsteht als bisher angenommen. Darüber hinaus nimmt die Wirksamkeit des Prozesses mit der Lufttemperatur zu.

„Möglicherweise haben wir hier eine bedeutende Wechselwirkung zwischen Luftqualität und Klimaänderung vorliegen, die zum beschleunigten Abbau von Spurengasen in einer immer wärmer werdenden Atmosphäre führt“, vermutet der stellvertretende Institutsleiter Dr. Andreas Hofzumahaus.

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