Das schwebende Wassertropfenlaboratorium

Forschungsgruppe der Uni Kiel und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht entwickeln nachhaltige Methode zur Herstellung von Nanopartikel und nanoporösen Metallen

26.11.2013 - Deutschland

Der Bedarf an Nanopartikeln, also Teilchen, die über 1000 Mal kleiner sind als der Durchmesser eines Menschenhaares, wächst beständig. Diese Materialien sind prädestiniert für den Einsatz in elektronischen Bauteilen, Arzneimitteln, Beschichtungen und chemischen Synthesen. Bisher ist ihre Herstellung wenig umweltfreundlich, häufig muss auf giftige Chemikalien zurückgegriffen werden. Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) ist nun ein wichtiger Schritt in Richtung grüne Nanotechnologie gelungen. Ein simpler Tropfen Wasser dient ihnen dabei als schwebender Reaktor, um die winzigen Strukturen zu bauen. Die Teilchen können sich auf diese Weise auch selbst zu nanoporösem Material zusammenfinden. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ als Highlight veröffentlicht.

Abbildung/Copyright: Nature Communications

(a) Goldsalze wurde in einem schwebenden Wassertropfen ohne weitere Zusätze in Gold-Nanopartikeln umgewandelt. Der Tropfen schrumpft langsam von einer gelben Platte zu einem roten sphärischen Tröpfchen zusammen. Maßstab 2?mm. (b) Hellfeld-Transmissionselektronenmiskroskop-Aufnahme der Au-Nanopartikeln, Maßstab 20?nm und (c) Größenverteilung der Partikeln (d) Hochauflösender Mikrograph durch Transmissionselektronenmikroskopie.

Foto/Copyright: Schimmelpfennig/CAU

Die stolzen Autoren der Forschungspublikation versammelt um den Leidenfrost-Tropfenreaktor: (v.l.) Ahnaf Usman Zillohu, Mehdi Keshavarz Hedayati, Duygu Disci-Zayed, Ramzy Abdelaziz, Lorenz Kienle und Mady Elbahri

Abbildung/Copyright: Nature Communications
Foto/Copyright: Schimmelpfennig/CAU

Das zugrunde liegende Phänomen ist bekannt: Ein Wassertropfen fällt auf eine heiße Herdplatte und scheint berührungslos darüber zu schweben. Dieser so genannte Leidenfrost-Effekt entsteht, wenn die Temperatur der Platte viel höher ist als der Siedepunkt des Wassers. Ein Dampfpolster entsteht, auf dem der Tropfen gleitet, bis er vollständig verdampft. Die Forschenden der Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe Nanochemistry and Nanoengineering um Professor Mady Elbahri, CAU und HZG, machten sich für ihre Studie genau diesen Effekt zunutze. Sie platzierten einen Wassertropfen gefüllt mit Goldsalzen auf einer 270 Grad Celsius heißen Platte. Die schwebende gelbliche Lösung verwandelte sich innerhalb von zwei Minuten in einen roten Tropfen: Gold-Nanopartikel waren entstanden. „Gold-Nanopartikel sind begehrt und haben unglaublich vielfältige Anwendungsgebiete in der medizinischen Diagnostik, Luft- und Wasserreinigung sowie in der Elektronik. Unsere Herstellungsmethode mit dem Leidenfrost-Reaktor kommt ohne zusätzliche Wirkstoffe und aufwendige Technik aus“, sagt Elbahri.

Auch für andere Metalle und Metalloxide sei dieses „grüne“ Verfahren geeignet. Hoch interessant ist die Kombination von Leidenfrost-Chemie und Leidenfrost-Dynamik (Eigenrotation des Tropfens). Dabei werden die Nanoteilchen gebildet und organisieren sich selbst zu nanoporösem Gold. Man kann mit diesem Prozess aber auch ein Substrat, wie zum Beispiel einen polymeren Schaum beschichten, um damit leichtgewichtige und thermisch widerstandsfähige Bauteile zu erzeugen, erklärt Elbahri.

Im Falle der Metalloxide bilden sich faszinierende Mikrostrukturen, welche von Elbahris Kieler Kollegen Professor Lorenz Kienle und dessen Team mit modernsten Techniken der Elektronenmikroskopie analysiert wurden. Da sich die Strukturen in ungewöhnlicher Weise, fernab vom chemischen Gleichgewicht bilden, sei hier, so Kienle, in naher Zukunft mit weiteren interessanten Ergebnissen zu rechnen.

Wie funktioniert das Labor im Leidenfrost-Tropfen?

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass der Wassertropfen auf der heißen Platte ein überhitzter und elektrisch geladener chemischer Reaktor ist“, erklärt Co-Autor der Studie Ramzy Abdelaziz. Das Wasser verdampfe so schnell beim Kontakt mit der heißen Oberfläche, dass es sich selbst ionisiere. Negativ geladene Hydroxyl-Ionen verbleiben dabei im Wasser, während sich positiv geladene Ionen im Dampf darunter befinden. Ein basischer pH-Wert im Tropfen ist die Folge, der für den chemischen Prozess der Nanosynthese nötig ist. „Wasser unter Leidenfrost-Bedingungen fungiert in der Reaktion wahrscheinlich als Katalysator“, vermutet Abdelaziz. Das herauszufinden, sei einer der nächsten Schritte der Chemikerinnen und Chemiker.

Jetzt will das Team Nanopartikel im größeren Maßstab auf diese Weise herstellen, denn Millionen Tonnen dieser Materialien werden jährlich für den Markt benötigt. Anwendung finden sollen die nachhaltig geschaffenen Teilchen mit den nützlichen Eigenschaften vornehmlich in ebenso nachhaltigen Funktionen im Umwelt- und Energiebereich in Elektroden oder Filtern.

Gefragt, wie er auf die genial einfache Methode zur Herstellung von Nanopartikeln kam, antwortet Elbahri: „Zuhause beim Pfannkuchenbacken! Ich hatte versehentlich etwas Wasser auf die Herdplatte gespritzt und dann beobachtet, wie die schwebenden Tropfen nach dem Verdampfen dort Rückstände hinterließen.“ Zurück im Labor, versuchte er es, inspiriert durch dieses Erlebnis, zunächst mit gelöstem Zinkacetat und Silbernitrat – und entdeckte Zinkoxid- und Silbernanocluster auf der heißen Oberfläche. Ein Durchbruch, der sieben Jahre später einen viel versprechenden Weg Richtung nachhaltiger Produktion von funktionalen Nanomaterialien eröffnet. „Es war kein leichter Weg, das Ganze kontrollieren und vor allem verstehen zu können. Ich glaube es wird noch Zeit brauchen, bis wir das ganze Leidenfrost-Phänomen beschreiben können und nicht nur die Chemie dahinter. Das ist unser nächstes Ziel“, sagt Elbahri.

Doch mit der Herstellung von einfachen Nanopartikeln geben sich die Wissenschaftler nicht zufrieden. „Vor kurzem ist es uns auch gelungen schaltbare funktionalen Nanomaterialien in dem Tropfen herzustellen“, sagt Duygu Disci-Zayed, ein weiterer Autor der Studie. Entstanden sind die Arbeiten der gemeinsam am Helmholtz-Zentrum Geesthacht und an der CAU Kiel tätigen Forschungsgruppe innerhalb des Projektes DFG EL 554/1-1 und des Kieler Sonderforschungsbereichs (SFB) 677 „Funktion durch Schalten“. Beide werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Im SFB 677 widmen sich etwa 100 Wissenschaftler der Entwicklung von molekularen Maschinen. Die künstlichen Systeme, die durch Licht an- und ausschaltbar sein sollen, sollen zum Beispiel in der medizinischen Diagnostik eingesetzt werden.

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