Chemischen Reaktionen auf der Spur
Forscher entwickeln lichtadressierbare Sensoren
Dr. Carl Frederik Werner steht im INB-Labor am Campus Jülich und lässt einen kleinen Film ablaufen. Die Sequenz zeigt, wie ein Tropfen Säure in eine Lösung eindringt. Sobald die Ionen in der Lösung diffundieren, verändern sich die Farben – von blau über grün und gelb bis zu orange und rot. Was in dem Film zu sehen ist, sind keine optischen Aufnahmen, sondern die Messung eines pH-Wert-Sensors, dargestellt als Zeitraffersequenz.
"Das Besondere an dieser Entwicklung ist, dass wir einzelne Sektoren auf dem Sensor gezielt ansteuern und auslesen können", erläutert Prof. Dr. Michael J. Schöning, Leiter des INB, "wir verwenden sogenannte lichtadressierbare potentiometrische Sensoren". Vereinfacht formuliert sieht der Aufbau so aus: Der Sensor ist horizontal angebracht, darauf befindet sich die zu untersuchende Probe – das kann eine Lösung sein, es kann sich aber auch um Mikroorganismen handeln. Von unten wird ein konzentrierter Lichtstrahl, etwa ein Laser oder ein OLED, auf den zu untersuchenden Sektor geleitet – die Rasterweite liegt derzeit bei 200 Mikrometer Kantenlänge, bei einer Chipgröße von 1,5 mal 1,5 Zentimeter stehen damit also mehr als 5000 Segmente zur Verfügung. Ortsgenau wird der Wert ausgemessen. Werden diese Werte der einzelnen Sektoren zusammengefügt, entsteht so etwas wie ein "elektrochemisches Foto", wie Prof. Schöning es nennt, oder sogar ein Film.
Für seine wissenschaftliche Arbeit hat Carl Frederik Werner im Mai den Doktortitel der Philipps-Universität Marburg erhalten. Partner der kooperativen Promotion vor Ort war Prof. Dr. Michael Keusgen. Die Arbeit stand unter dem Titel "Development of light-addressable potentiometric sensor systems and their applications in biotechnological environments". Dr. Werner ist in Konz an der Mosel aufgewachsen, nach seinem Realschulabschluss und einer Fachinformatikerausbildung besuchte er die FH Kaiserslautern in Zweibrücken. 2008 wechselte er an den Campus Jülich der FH Aachen, wo er erst sein Diplom machte und jetzt die Forschungen durchführte, die ihm zur Promotion verhalfen.
Der 32-Jährige nennt die Überwachung der Funktion von Biogasanlagen als ein mögliches Anwendungsgebiet der von ihm mitentwickelten Technologie. "Wir können die Stoffwechselprozesse von Mikroorganismen auf diese Weise präzise und zeitnah beobachten", erläutert er. Die Ergebnisse hat er innerhalb eines vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Drittmittelvorhabens erzielt, bei dem auch Prof. Dr. Thorsten Selmer aus dem INB als kompetenter "Bio"-Ansprechpartner mit zur Verfügung stand. Zukünftig kann also eine Probe des Substrats einer Biogasanlage aus dem Reaktor entnommen und direkt auf ihre Zusammensetzung und Aktivität überprüft werden. "Damit können die Betreiber die Anlage viel effizienter steuern", so Dr. Werner. Prof. Schöning betont, dass das Verhalten der Stoffe an der Grenzfläche – also der Oberfläche des Sensors – der Knackpunkt des Verfahrens ist. "Mit Hilfe der lichtadressierbaren Sensoren können wir die Messtechnik direkt und berührungsfrei ansteuern", sagt er, "außerdem erlaubt sie uns die Nutzung von glatten Oberflächen, wodurch das Auftragen der Probe vereinfacht wird." Zwischenzeitlich hat der 32-jährige Wissenschaftler auch erfolgreich Zwischenstation im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten und von Dr. Torsten Wagner geleiteten Projektvorhaben "Opto-Switch" gemacht und dort seine LAPS-Expertise eingebracht.
Dr. Werner wird seine Forschungsarbeit ab August an der Tohoku-Universität in Sendai fortsetzen, er hat ein zweijähriges Stipendium der "Japan Society for the Promotion of Science" (JSPS) erhalten. "Wir wollen eine höhere Auflösung erzielen", sagt er, "und mit einer anderen Ansteuerung der Lichtquelle können wir auch Verluste durch Diffusion ausschließen." Der Leiter des INB freut sich, dass sein Schützling nach Japan geht. "Die Brücke nach Sendai besteht seit mehr als 15 Jahren", sagt Prof. Schöning, "wir sind sehr froh, dass die Zusammenarbeit so gut funktioniert." Wie gut sie funktioniert, wird auch im Juli deutlich, wenn eine Delegation der Tohoku-Universität zur Tagung "Engineering of Functional Interfaces" (EnFI) an den Campus Jülich der FH Aachen kommt.
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