Polymer in zwei Dimensionen

14.08.2014 - Schweiz

Das hauchdünne Material Graphen ist derzeit das Liebkind vieler Materialwissenschaftler. ETH-Forschern ist es nun gelungen, ein beinahe ebenso dünnes synthetisches Polymer herzustellen. Es ist das erste Mal, dass ein synthetisches flächiges Polymer hergestellt und die Struktur gleichzeitig mittels Röntgenkristallographie analysiert wird.

Polymere sind Stoffe, die aus einer Vielzahl miteinander verbundener und sich wiederholender identischer Einzelmoleküle bestehen. Wenn Chemiker bisher Polymere entwickelten und herstellten, dann in der Regel in Form von eindimensionalen, langen Ketten. Die Textilfaser Nylon ist ein Beispiel dafür. Ausserdem ist es möglich, Polymerketten dreidimensional miteinander zu einem unregelmässigen Netzwerk zu verknüpfen, wie das etwa bei Kunstharzen oder Silikonen der Fall ist.

Neu hingegen ist die Entwicklung von Polymeren, deren Wiederholungseinheiten sich in genau zwei Dimensionen aneinanderreihen. Wissenschaftler versprechen sich davon interessante Anwendungen. Denn damit können synthetische nanometerdünne Blätter hergestellt werden, ähnlich dem Material Graphen, das derzeit in aller Munde ist.

Zylinder mit Flügeln

Materialwissenschaftler aus der Gruppe von Dieter Schlüter, Professor am Institut für Polymere, arbeiten seit einigen Jahren an der Entwicklung solcher Polymere. Sie waren es, die vor zwei Jahren zum ersten Mal überhaupt ein synthetisches flächiges Polymer herstellten. Bei diesem war es jedoch nicht möglich, die Struktur mittels Röntgenkristallographie eindeutig aufzuklären. Nun ist es ihnen zeitgleich mit einer unabhängigen amerikanischen Gruppe erstmals gelungen, ein weiteres 2D-Polymer herzustellen, bei dem die Strukturaufklärung möglich war. Die ETH-Forschenden lieferten damit den noch ausstehenden direkten Beweis, dass synthetische zweidimensionale Polymere tatsächlich existieren.

Beim 2D-Polymer der ETH-Wissenschaftler hat der Einzelbaustein (das Monomer) die Form eines nanometerkleinen Zylinders mit drei seitlichen Flügeln. Um flächige Polymere zu erhalten, lassen die Forschenden die Monomere kristallisieren, wodurch sie sich in einer regelmässigen Gitterstruktur anordnen. Bestrahlen die Wissenschaftler die Kristalle mit UV-Licht, reagieren die Flügel der verschiedenen Monomereinheiten miteinander und gehen eine feste chemische Bindung ein. Es entsteht ein schieferartiger Kristall aus einzelnen, übereinander gelagerten Schichten. Versetzen die Forschenden diesen Polymer-Kristall mit einer starken Säure, quillt er auf, die einzelnen Schichten lassen sich so voneinander trennen.

Ergänzung für Graphen

Um über konkrete Anwendungen ihrer neuen, synthetischen Nano-Blätter zu sprechen, sei es noch zu früh, sagt Max Kory, Doktorand in Schlüters Gruppe und Erstautor der Arbeit. «Momentan sind wir daran, dessen Eigenschaften zu bestimmen», so Kory. Doch das Material sei sehr funktionell. Interessant sei zum Beispiel, dass man den Kristall verhältnismässig einfach mit UV-Licht von der Monomer- in die Polymer-Form und wieder zurück reagieren lassen könne. Dadurch sei es beispielsweise denkbar, analog zum Fotosatz einzelne Regionen des Kristalls mit UV-Licht zu bestrahlen und andere unbestrahlt zu lassen. So könnte man frei strukturierte Polymer-Blätter erhalten. «Wegen diesen zusätzlichen Eigenschaften sehen wir unser Material nicht etwa als Ersatz für Graphen, sondern als Ergänzung.»

Bis anhin gelang es den Chemikern, einige Gramm dieses Materials herzustellen. Gemeinsam mit einem Industriepartner planen sie, es im Kilogramm-Massstab zu produzieren und die Eigenschaften sowie mögliche Anwendungen umfassend zu untersuchen.

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