„Superkleber“ für die Atmosphäre
Seit längerem schon ist bekannt, dass Schwefelsäure wesentlich zur Entstehung der winzig kleinen Aerosolteilchen beiträgt, die eine wichtige Rolle bei der Wolkenbildung spielen. Nun haben Wissenschaftler am Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität Frankfurt unter Federführung von Dr. Andreas Kürten und Prof. Joachim Curtius in internationaler Zusammenarbeit die extrem verstärkende Wirkung durch Amine nachgewiesen. Indem die anwachsenden neutralen Cluster direkt gemessen wurden, konnte erstmals beobachtet werden, wie sich neutrale (also ungeladene) Molekülcluster aus Schwefelsäure und Dimethylamin (DMA) bilden.
Bisher war es nur möglich, neutrale Molekülcluster aus maximal zwei Molekülen Schwefelsäure nachzuweisen. Nun ist es gelungen, Cluster, die aus bis zu 14 Schwefelsäure (SA) und 16 DMA Molekülen bestehen, nachzuweisen und zu verfolgen, wie sie sich nacheinander zusammenlagern. Dieser Nachweis gelang unter Bedingungen, wie sie in der Atmosphäre herrschen, das heißt vor allem bei extrem niedrigen Konzentrationen von Schwefelsäure und DMA (weniger als 1 Molekül Schwefelsäure auf 1 x 1013 Luft-Moleküle).
Seit längerem bekannt war, dass Schwefelsäure z.B. mit Wasser und/oder Ammoniak Partikel bilden kann. Doch die so entstandenen Cluster können bei den in der Atmosphäre vorherrschenden Bedingungen verdampfen. Das Zusammenspiel von Schwefelsäure und DMA bildet weitaus stabilere Cluster. Diese können durch weitere Stöße mit DMA und SA ungebremst anwachsen, denn sie verdampfen kaum. Dabei fungiert DMA im Zusammenspiel mit SA offenbar als eine Art „Superklebstoff“. Das Verfahren, mit dem dieser Nachweis gelungen ist: Die Forscher haben ein neues Massenspektrometer mit einer an der Uni Frankfurt und der Uni Helsinki entwickelten Ionenquelle zur chemischen Ionisation der neutralen Molekülcluster kombiniert. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des CLOUD (Cosmics Leaving OUtdoor Droplets) Experiments am CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) gewonnen.
Die Forschungsergebnisse ermöglichen erstmals einen sehr detaillierten Einblick in ein möglicherweise für die Atmosphäre relevantes System, das zur Bildung von Aerosolteilchen beiträgt. Diese beeinflussen das Klima über die Wolkenbildung: Wolken können sich nur bilden, wenn sogenannte Kondensationskeime zur Verfügung stehen, an denen sich Wassermoleküle niederschlagen können. Es handelt sich dabei um spezielle Aerosolteilchen, die bis auf eine Größe von ca. 50 Nanometern angewachsen sind. Mehr als die Hälfte dieser Teilchen entsteht aus der Gasphase, und der beobachtete Prozess der Teilchenbildung aus Schwefelsäure und DMA könnte möglicherweise auch für die Bildung von Kondensationskeimen relevant sein. Wenn viele Kondensationskeime zur Verfügung stehen, bilden sich eher Wolken, die aus vielen kleinen Tröpfchen bestehen; umgekehrt wird eine Wolke eher aus wenigen großen Tröpfchen bestehen, wenn weniger Kondensationskeime vorhanden sind. Auf diese Art werden der Strahlungshaushalt der Erde und das Klima sowie die Niederschlagsentstehung beeinflusst. Die extrem verstärkende Wirkung durch Amine (DMA) wurde nun erstmals durch die direkte Messung der anwachsenden neutralen Cluster beobachtet. Die verwendete neue Messmethode wird in Zukunft sicher weitere Einblicke in Bezug auf die Teilchenbildung in anderen chemischen Systemen ermöglichen.
„Die Ergebnisse zeigen erstmals, wie sich neutrale Aerosolteilchen durch die schrittweise Anlagerung von Molekülen bilden. Die vorgenommenen Messungen ermöglichen tiefere Einblicke in die Aerosolbildung als bislang“, erklärt Dr. Andreas Kürten. Prof. Joachim Curtius: „Es konnte gezeigt werden, dass Dimethylamin als „Superklebstoff“ bei der Bildung neutraler Aerosolteilchen fungiert. Das heißt, dass beim Zusammenwirken von Schwefelsäure und Dimethylamin jedes Schwefelsäuremolekül, das mit dem Cluster zusammenstößt, hängen bleibt.“
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