Strukturwandel macht Keramik super-zäh

Neuer Mechanismus erhöht Bruchzähigkeit drastisch

13.10.2014 - Deutschland

Forscher haben einen neuen und bisher unbekannten Mechanismus identifiziert, der eine seltene Art von Keramik super-zäh macht. Die Entdeckung könnte einen Weg zur Entwicklung superharter und superzäher Keramiken für industrielle Anwendungen weisen, wie die Gruppe um DESY-Forscher Dr. Nori Nishiyama im Fachjournal "Scientific Reports" berichtet.

Nori Nishiyama/DESY

Auf der Bruchfläche bilden sich wurmartige Strukturen aus amorphem Siliziumdioxid (Mitte).

Die Wissenschaftler hatten ein Material namens Stishovit untersucht, eine seltene Form von Siliziumdioxid (SiO2), die nur unter großem Druck entsteht - beispielsweise bei Meteoriteneinschlägen und im Erdinneren unterhalb von 300 Kilometern Tiefe. Stishovit ist ein keramisches Material aus der Gruppe der Oxide. "Es handelt sich um das härteste Oxid, das wir bislang kennen, härter als Rubin und Saphir", erläutert Nishiyama. Während Keramiken allgemein sehr hart sein können, sind sie zugleich meist auch sehr spröde und brechen leicht. Unter anderem wegen dieser hohen Brüchigkeit wird Stishovit bislang nicht industriell genutzt.

Vor zwei Jahren hatten Nishiyama und seine Kollegen Stishovit-Nanokristalle künstlich hergestellt und konnten zeigen, dass Stishovit-Stücke aus Nanokristallen nicht nur sehr hart sind, sondern auch sehr zäh. Sie erreichen in etwa die Zähigkeit von Zirkon, der zähesten bekannten Keramik. Die Ursache für diese drastisch erhöhte Zähigkeit blieb allerdings zunächst unbekannt.

Mit einer geschickten Kombination aus Untersuchungen mit dem Elektronenmikroskop, mit der Röntgenstrahlung von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III (Messstation P02.1) sowie von der japanischen Röntgenquelle SPring-8 konnten die Forscher nun einen zuvor unbekannten Mechanismus identifizieren, der nanokristallinem Stishovit seine hohe Zähigkeit verleiht. Stishovit, das nur unter Hochdruck entsteht, ist unter Normalbedingungen metastabil. Das bedeutet, dass es in eine andere Konfiguration übergeht, wenn ausreichend Energie von außen zugeführt wird - beispielsweise durch hohe Temperaturen oder durch eine Verformung.

Stishovit nutzt die Energie aus der Rissbildung des Materials, um sich von einem tetragonalen Kristall in amorphes (ungeordnetes) Siliziumdioxid zu wandeln, wie die Forscher beobachtet haben. "Tatsächlich ähnelt die Transformation von Stishovit zu amorphem Siliziumdioxid dem Schmelzen von Eis", erläutert Nishiyama. "Beides sind Transformationen von einem kristallinen zu einem amorphen Zustand, die außerhalb des Stabilitätsbereichs stattfinden."

Die Wissenschaftler hatten nanokristalline Stishovit-Proben von einigen Millimetern Durchmesser produziert und sie zerbrochen. Mit dem Elektronenmikroskop konnten sie an den Bruchstellen wurmartige Strukturen beobachten, die sich als amorphes Siliziumdioxid entpuppten. "Diese 'Würmer' haben einige Dutzend Nanometer Durchmesser", berichtet Nishiyama. Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter. Per Röntgenspektroskopie konnte das Team zeigen, dass etwa die Hälfte der Bruchfläche mit amorphem Siliziumdioxid bedeckt ist. Je mehr davon sich fand, desto zäher war die Bruchfläche. Diese Beobachtung zeigt, dass tatsächlich die vom Bruch hervorgerufene Umwandlung in amorphes Siliziumdioxid für die Erhöhung der Zähigkeit des Stishovits verantwortlich ist.

"Dieser Übergang verdoppelt auf einen Schlag das Volumen des Materials, dadurch drückt es gegen den Bruch und hält ihn so an", erklärt Nishiyama. Auf ähnliche Weise bekommt Zirkon seine Zähigkeit. Bricht es, geht es von einer Kristallstruktur (tetragonal) in eine andere (monoklin) über, wobei sein Volumen um 4 Prozent steigt. "Die Umwandlung, die jetzt in Stishovit beobachtet wurde, dehnt das Volumen um 100 Prozent aus", betont Nishiyama. "Möglicherweise lassen sich damit Verbundkeramiken zur industriellen Anwendung herstellen, die den Zähigkeitsmechanismus von Stishovit ausnutzen."

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