Ein Halbleiter von der Heizplatte

14.01.2015 - Deutschland

Bei der Suche nach neuen, besseren Materialien für organische Halbleiter können Wissenschaftler der Universität Würzburg einen Erfolg vermelden. Ihre neueste Entwicklung hat sogar einen Weltrekord gebrochen: Sie leitet Strom besser als alle vergleichbaren Materialien.

Matthias Stolte

Der organische n-Halbleiter lässt sich unter ambienten Bedingungen – also an der Luft – sublimieren und bildet hierbei Einkristalle, die eine neue Anordnung der Moleküle aufweisen.

Er ist Weltrekordhalter bei den kleinen Molekülen, was die Ladungsträgermobilität von Elektronen unter Luft betrifft. Er ermöglicht eine neue Herstellungstechnik und eröffnet damit ein neues Arbeitsfeld. Und er verfügt über bessere Eigenschaften unter Prozessbedingungen: Der organische Halbleiter aus dem Labor von Professor Frank Würthner, Inhaber des Lehrstuhls für Organische Chemie II und Leiter des Zentrums für Nanosystemchemie an der Universität Würzburg.

Für die Chemiker: Es handelt sich um ein Naphthalindiimid, doppelt chloriert und mit Fluoralkylketten substituiert. Der organische Halbleiter lässt sich – anders als vergleichbare Substanzen – gut unter normalen Bedingungen verarbeiten und ist gegen Umwelteinflüsse äußerst stabil. Fünf Jahre lang haben die Würzburger Wissenschaftler zusammen mit ihrem Industriepartner BASF die Substanz erforscht und modifiziert, bis sie die gewünschten Eigenschaften zeigte. Jetzt berichtet die Fachzeitschrift Nature Communications online über die bereits in mehreren Patentanmeldungen für eine wirtschaftliche Nutzung gesicherten Forschungserfolge.

„Plastikelektronik“ ist die Zukunft

Organische Elektronik ist längst im Alltag vieler Menschen angekommen, auch wenn die wenigsten, die damit in Kontakt kommen, überhaupt etwas davon merken. Zahlreiche Produkte, die heute im Handel erhältlich sind, arbeiten bereits mit elektronischen Schaltungen aus leitfähigen Polymeren oder kleineren organischen Verbindungen. So bringen sie beispielsweise Displays farbenreich zum Leuchten, arbeiten in Autos in den Sensoren der Airbags oder produzieren in Form von biegsamen Solarzellfolien auf Rucksackdeckeln Strom.

Und schon in naher Zukunft soll die Produktpalette deutlich ausgeweitet werden: Leuchtende Tapeten, die 50 Prozent weniger Strom verbrauchen als Energiesparlampen, transparente Solarzellfolien, die sich aufkleben lassen, Sensoretiketten auf Fleischverpackungen, die den Frischegrad messen, RFID-Chips, die detaillierte Informationen über den Standort einzelner Produkte entlang der gesamten Lieferkette versenden: Das alles sind nur ein paar Beispiele für potenzielle Einsatzorte der bisweilen auch „Plastikelektronik“ genannten Technik.

Damit die Träume der Industrie tatsächlich wahr werden können, sind Wissenschaftler weltweit auf der Suche nach neuen Bausteinen für organische Halbleiter. Zwei Eigenschaften stehen dabei im Mittelpunkt ihres Interesses: Zum einen müssen die Materialien möglichst gut Strom leiten, damit sie effizient arbeiten. Zum anderen müssen sie möglichst lange stabil bleiben und funktionieren. Verglichen mit „klassischen“ Halbleitern, die auf Silicium basieren, tun sich die organischen Verwandten in diesen Punkten noch schwer. Das Naphthalindiimid-Molekül verschiebt nun die Gewichte.

Enge Zusammenarbeit mit der Industrie

Der neue Halbleiter ist das Ergebnis einer langjährigen engen Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Organische Chemie II der Universität Würzburg mit BASF SE, Ludwigshafen, und der InnovationLab GmbH, Heidelberg. Sie war Teil eines Forschungsprojekts, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung über fünf Jahre hinweg finanziert hat: „Gedruckte organische Schaltungen und Speicher - Polytos“. Angesiedelt im Spitzencluster „Forum Organic Electronics“ sollten auf diese Weise „Wissenschaft und Wirtschaft strategische Partnerschaften eingehen und die Innovationskraft und den ökonomischen Erfolg Deutschlands stärken“, wie es in einem BMBF-Papier heißt. Der Cluster bündele das Know-how von global agierenden Unternehmen, den Universitäten in Heidelberg und Karlsruhe und zahlreichen weiteren Partnern, um Deutschland „an die Weltspitze bei der Entwicklung der Zukunftstechnologie Organische Elektronik zu führen“.

Unkomplizierte Verarbeitung

Was den in Würzburg entdeckten organischen Naphthalindiimid-Halbleiter für die Industrie interessant macht: „Dieser Halbleiter lässt sich unter Umweltbedingungen herstellen und verarbeiten. Außerdem ist er stabil unter Lufteinfluss“, erklärt Dr. Matthias Stolte, Gruppenleiter am Lehrstuhl von Frank Würthner und Mitautor der in Nature Communications veröffentlichten Arbeit. Normalerweise werden organische Halbleiter entweder im Hochvakuum oder aus einer flüssigen Lösung heraus in einem Druckverfahren verarbeitet, vergleichbar mit einem Tintenstrahldrucker. Die Nachteile dabei: Die Hochvakuummethode ist sehr teuer, die lösungsbasierte Methode dagegen qualitätsmindernd, weil das Lösungsmittel einen störenden Einfluss auf die Qualität der Halbleiterschicht ausübt.

Die Forscher aus BASF und der Universität Würzburg sind einen anderen Weg gegangen: „Wir legen das Material auf einem Substrat auf eine Heizplatte, die auf 180 Grad Celsius erhitzt wird. Bringt man dann ein zweites Substrat in die Nähe, lagert sich dort in einer ein-kristallinen Schicht der Halbleiter ab“, erklärt Stolte. Damit sei die Produktion „extrem simpel“. Den Grund, warum sich das Naphthalindiimid so einfach bei normalen Raumbedingungen verarbeiten lässt, sehen die Forscher in seiner hohen Luftstabilität sowie der leichten Sublimierbarkeit aufgrund seines niedrigen Molekulargewichts.

Wie die Chemiker zeigen konnten, sorgt der Weg über die Heizplatte dafür, dass sich die Moleküle in dem Halbleiter anders anordnen – verglichen mit dem Weg über die Lösung. In der bisher üblichen Variante zeigen die Moleküle das, was Chemiker als „Fischgrätmuster“ bezeichnen; nach der Abscheidung über die Heizplatte entsteht ein Backsteinmuster. Die Folge: Der Ladungstransport wird weniger von der Betriebstemperatur das Bauteils beeinflusst – verglichen mit ähnlichen Molekülen. Das verbessert die Haltbarkeit deutlich. Dabei liegt der Wert immer noch beim Siebenfachen dessen, was heute bei klassischen Solarzellen üblich ist, die aus amorphem Silicium hergestellt werden. Und die Fluorketten sorgen dafür, dass das Naphthalindiimid-Molekül unter Luft- und Wassereinfluss stabil bleibt.

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