Aufwendige Messkampagne zu bodennahen Aersosolpartikeln

03.06.2015 - Deutschland

Mit einer bisher beispiellosen Vielzahl an Geräten werden in den kommenden Wochen die Auswirkungen von Rußpartikeln auf die Wolkenbildung und das Klima untersucht. Dazu kommen über 25 Messgeräte in und um die Forschungsstation des Leibniz-Institutes für Troposphärenforschung (TROPOS) in Melpitz bei Leipzig zum Einsatz. Höhepunkt der zweimonatigen Feldkampagne sind die Messungen per Flugzeug und Hubschrauber in der zweiten Junihälfte.

Holger Siebert/TROPOS

Insgesamt 30 Flugstunden Messungen wird die hubschraubergetragene Messplattform „ACTOS“ direkt in den Aerosolschichten und Wolken durchführen.

An den aufwendigen Messungen vom Boden bis zu drei Kilometern Höhe sind über 50 Forschende des TROPOS, des Paul Scherrer Instituts (PSI), der Universitäten Bayreuth, Leipzig und Tübingen, der TU Braunschweig, TU Darmstadt, der FH Düsseldorf und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) beteiligt. Die Kampagne „Melpitz-Säule-2015“ ist wahrscheinlich die bisher umfangreichste Messkampagne in Mitteleuropa zur Erfassung bodennaher Aerosolpartikel.

Nach Kohlendioxid und Methan gilt Ruß als drittstärkster Einflussfaktor auf den Klimawandel, so der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht. Aktuellen Schätzungen zufolge führt Ruß zu einer Erwärmung von 0,4 Watt pro Quadratmeter. Dies ist rund ein Fünftel des gesamten anthropogenen Strahlungsantriebs, der auf etwa 2,2 Watt pro Quadratmeter geschätzt wird. Eine starke Reduzierung von Ruß wird daher zunehmend als eine wichtige Maßnahme zur Eindämmung der globalen Erwärmung diskutiert, die zudem positive Gesundheitseffekte mit sich bringen würde. Zu den genauen Auswirkungen von Ruß auf die Erwärmung der Atmosphäre liegen bisher aber nur Abschätzungen vor, die hauptsächlich auf globalen Modellstudien basieren und sich zum Teil deutlich unterscheiden.

Diese Unsicherheiten will jetzt ein Team von Atmosphärenforschern unter Leitung des TROPOS verringern. Hierzu findet vom 4. Mai bis 6. Juli 2015 rund um die Forschungsstation in Melpitz bei Torgau ein aufwändiges Feldexperiment zur Untersuchung von Aerosolpartikeln in Bodennähe und in der darüber liegenden Luftschicht bis in etwa drei Kilometern Höhe statt. Neben den kontinuierlichen Messungen am Boden von chemisch-physikalischen Eigenschaften der Aerosolpartikel werden während des Experiments viele zusätzliche Messgeräte betrieben. Diese dienen vor allem dazu, Wolken und Aerosolpartikel in der Atmosphäre über der Messstation zu untersuchen. Die Aerosole in den Luftschichten und deren Bewegung werden mit Lichtradaren – auch Lidare genannt - untersucht. Im Umkreis der Messstation werden zahlreiche automatische Strahlungsmessgeräte aufgestellt, um die Wirkung von Aerosolen und Wolken auf die Sonneneinstrahlung am Boden zu bestimmen.

Bodennahe Messungen an der Station werden von der hubschraubergetragenen Messplattform „ACTOS“ des TROPOS begleitet, mit der in insgesamt 30 Flugstunden Messungen direkt in den Aerosolschichten und Wolken stattfinden, um unter anderem Parameter wie Anzahl und Größe der Tropfen und Aerosolpartikel, Temperatur und Windgeschwindigkeit zu erfassen. Zur ersten Mal werden auch die optischen Eigenschaften der Aerosolpartikel in verschiedenen Höhen mithilfe von ACTOS gemessen, aus denen sich auch die Rußkonzentrationen bestimmen lassen. Die großräumige Situation in der Höhe wird ein Flugzeug der FH Düsseldorf erfassen. Weitere luftgetragene Messungen werden mit unbemannten Kleinflugzeugen der Technischen Universität Braunschweig sowie der Universität Tübingen bis zu einem Kilometer über der Station durchgeführt. Diese messen ebenfalls die Konzentration und Größe der Aerosolpartikel, Konzentration von Ruß sowie meteorologische Parameter wie Temperatur, Wind und Luftfeuchte. „Die Hubschrauberflüge werden ausschließlich am Tage durchgeführt, so dass keine nächtliche Lärmbelästigung zu erwarten ist. Weiterhin sind diese Messflüge auf den Zeitraum vom 14. bis 30. Juni 2015 beschränkt, wie auch der Großteil der anderen Flugmessungen, um einerseits den Aufwand in Grenzen zu halten, aber anderseits auch die Anwohner möglichst wenig zu stören“, so Prof. Andreas Macke, Direktor des TROPOS und Initiator der Messkampagne. Außerdem wird in Melpitz ein Fesselballon des TROPOS für die chemische Analyse von Vorläufergasen eingesetzt, die für die Neubildung von kleinsten Partikeln eine wichtige Rolle spielen können.
Zeitnah werden die Messungen zudem von Large-Eddy- und regionalen Chemie-Transport-Simulationen mit den am TROPOS entwickelten Modellen begleitet. Die Modellierung dient dazu, Zusammenhänge von den gemessenen Aerosoleigenschaften zu den Quellen und Senken herzustellen. Außerdem werden Transport- und Mischungsprozesse sowie Aerosol-Strahlungswechselwirkungen und deren Einfluss auf die Grenzschichtentwicklung anhand dieser Simulationen analysiert.

Melpitz wurde als Standort für diese Kampagne ausgewählt, da das TROPOS hier seit über 20 Jahren Aerosolpartikel charakterisiert und in den letzten Jahren durch Feldkampagnen wie HOPE-2013 oder UAV-Ruß-2014 bereits Erfahrungen mit dem Einsatz von Fluggeräten vor Ort gesammelt werden konnten. Außerdem liegt die Station im sächsischen Tiefland bei Torgau relativ zentral in Europa. Das heißt, sie repräsentiert einen Übergangsbereich zwischen den vom Atlantik kommenden Luftmassen Westeuropas und den kontinentalen, von anthropogener Luftverschmutzung geprägten Luftmassen Osteuropas. Als regionale Hintergrund-Messstation ist Melpitz jenseits der größeren Städte und damit auch der Luftverschmutzung inzwischen in der internationalen Atmosphärenforschung ein Begriff. Seit 2013 ist Melpitz offiziell Teil des globalen Erdbeobachtungssystems (GAW) der Weltmeteorologieorganisation (WMO). In Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt (UBA) werden hier grenzüberschreitende Luftverschmutzungen im Rahmen von EMEP (European Monitoring and Evaluation Programme) gemessen. Zudem gehört die Forschungsstation Melpitz zum europäischen Aerosol-, Wolken und Spurengas-Netzwerk (ACTRIS) und zum deutschen Ultrafeinstaubmessnetz GUAN.

In Melpitz werden hochspezialisierte Messungen zu den physikalischen und chemischen Eigenschaften der klimarelevanten Feinstaubpartikel durchgeführt. Diese Daten dienen unter anderem der Abschätzung der Effekte dieser Partikel auf das Klima und die menschliche Gesundheit und werden von Atmosphären- und Klimaforschern weltweit genutzt. Die vielfältigen Messdaten erlauben es insbesondere, die Verursacher hoher Feinstaubbelastungen zu bestimmen und beispielsweise zwischen industriellen, haushalts- und verkehrsbedingten sowie natürlichen Feinstaubquellen zu unterscheiden. Die Forscher nutzen die Daten aus Melpitz auch dazu, den Anteil der in die Stadt Leipzig getragenen regionalen Feinstaubbelastung zu quantifizieren, wo das TROPOS detailliert die Wirksamkeit der Umweltzone untersucht. Weltweit gibt es nur wenige Forschungsinstitute, die es erreicht haben, derart detailreiche atmosphärische Messungen über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten. Die TROPOS-Forscher messen an dieser Station nicht nur seit 20 Jahren die Standardmessgröße PM10 (Partikel mit einem Durchmesser bis zu zehn Mikrometern) sondern seit 10 Jahren mit PM2.5 und PM1 (Partikel mit einem Durchmesser von bis zu 2,5 bzw. einem Mikrometern) auch die wesentlich kleineren Teile des Feinstaubes, deren chemische Inhaltsstoffe und auch ihr hochaufgelöstes Größenspektrum. Daher kommen den Forschern immer wieder ihre langen Zeitreihen zum Feinstaub zu Gute, die eine solide Erfassung und Bewertung langjähriger Trends überhaupt erst ermöglichen. In Zukunft soll die Forschungsstation verstärkt mit Fernerkundungstechnik ausgerüstet werden, um so ein Atmosphärenobservatorien zu schaffen, an dem Feinstaub- und Wolkenprozesse über alle Stockwerke der Troposphäre erforscht werden können.

Die nun gestartete Messkampagne ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Denn von den dabei gewonnenen Daten erhoffen sich die Forschenden neue Erkenntnisse, wie sich Eigenschaften der Aerosolpartikel mit zunehmender Entfernung vom Boden verändern. Die Ergebnisse werden später wichtige Impulse für die Klimamodellierung geben, aber auch in meteorologische Modelle einfließen, um die Wettervorhersage zu verbessern.

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