Mit einem zweidimensionalen Atomgas der Supraleitung auf der Spur
Übergang in die superfluide Phase: Physiker charakterisieren eine exotische Quanten-Superflüssigkeit
Martin Ries
Martin Ries
Zwei der beeindruckendsten Phänomene, bei denen quantenmechanisches Verhalten in der „normalen“ Welt sichtbar wird, sind die Superfluidität und die daraus entstehende Supraleitung. Superfluidität bezeichnet in der Physik den Zustand einer Flüssigkeit, bei dem diese jede innere Reibung verliert. Supraleitung entsteht, wenn sich die Elektronen in einem Material verhalten wie eine superfluide Flüssigkeit. Dort fließen sie dann ohne Reibung, und der elektrische Widerstand sinkt auf Null ab. Diese Situation tritt nur unterhalb eines gewissen kritischen Temperaturwerts ein, der für jeden Supraleiter anders ist.
Gut verstanden ist dieses Verhalten im sogenannten konventionellen Supraleiter, bei dem sich die Elektronen dreidimensional bewegen. Der Nachteil liegt jedoch darin, dass die Supraleitung hier nur bei sehr kalten Temperaturen weit unter minus 200 Grad Celsius erreicht werden kann. Eine technologische Nutzung ist aufgrund der aufwendigen Kühlung schwierig, so der Physiker Dr. Martin Ries. „Seit einigen Jahren ist es nun möglich, sogenannte Hochtemperatursupraleiter herzustellen. Hier liegt die kritische Temperatur deutlich höher, leider aber immer noch bei knapp unter minus 130 Grad Celsius. Hinzu kommt, dass ihre Funktionsweise nach wie vor nur in Ansätzen bekannt ist. Damit wird es schwierig, bessere Supraleiter dieser Art zu entwickeln“, sagt der Wissenschaftler, der im Team von Prof. Jochim forscht.
Wie Dr. Ries erläutert, geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass sich Elektronen in Hochtemperatursupraleitern effektiv nur zweidimensional bewegen können. Daher haben sich die Heidelberger Physiker in ihrer Forschung zu Superfluidität und Supraleitung auf 2D-Strukturen konzentriert. Hier ist der Phasenübergang in die superfluide Phase im Vergleich zu drei Dimensionen stark verändert, wobei der Übergangsmechanismus bisher wenig verstanden und theoretisch nur schwer zu fassen ist. Zwar existiert seit den 1970er-Jahren eine Beschreibung im Rahmen der sogenannten BKT-Theorie. Allerdings funktioniert diese nur im Fall von schwachen Kräften zwischen den Elektronen. „Aber was genau bei stärkeren Kräften passiert, war bislang unbekannt, obwohl gerade dieses Szenario von besonderer Bedeutung ist“, sagt Dr. Ries.
Den Physikern um Selim Jochim ist es nun gelungen, ein einfaches Modellsystem zu bauen, um damit gleichsam eine Quantensimulation für den Übergang in die superfluide Phase in zweidimensionalen Strukturen durchzuführen. Die Grundlage dafür bildet ein zweidimensionales ultrakaltes Atomgas, das in einer Laserfalle gefangen wird. „So erzeugen wir ein ,sauberes‘, leichter zu verstehendes System, bei dem aber das quantenmechanische Verhalten der Teilchen dem der Elektronen in zweidimensionalen Strukturen gleicht“, unterstreicht Dr. Ries. Tatsächlich konnten die Forscher damit den Übergang in eine superfluide Phase bei niedrigen Temperaturen beobachten und die kritische Temperatur messen, und zwar für beliebige Kräfte zwischen den Teilchen. „Auf diese Weise können wir nun künftig unterschiedliche Theorien für die 2D-Superfluidität relativ einfach überprüfen“, erläutert Prof. Jochim, dessen Team aktuell die Korrelationen in der superfluiden Phase untersucht. „Langfristig erhoffen wir uns davon ein besseres Verständnis der Hochtemperatursupraleitung, was dann auf lange Sicht zur Entwicklung eines Raumtemperatursupraleiters führen könnte.“
Die Forschungsarbeiten wurden in einer Kooperation von Experimentalphysikern und theoretischen Physikern am Zentrum für Quantendynamik der Universität Heidelberg durchgeführt. Für ihre Veröffentlichung in den „Physical Review Letters“ erhielten die Autoren die „Editors‘ Suggestion“, die Auszeichnung als Empfehlung der Redaktion.