Erste Koordination mehrerer CO-Moleküle an ein Nichtmetall-Atom

19.06.2015 - Deutschland

Wissenschaftlern aus der Arbeitsgruppe von Professor Holger Braunschweig vom Institut für Anorganische Chemie an der Uni Würzburg ist es erstmals gelungen, in direkter Synthese zwei Kohlenstoffmonoxid-Moleküle (CO) mit dem Hauptgruppenelement Bor zu verbinden. Das Ergebnis ist ein Borylen-Dicarbonyl-Komplex. Darüber berichten sie im Fachmagazin Nature.

Dr. Florian Hupp and Dr. Krzysztof Radacki

Molekülstruktur des Borylen-Dicarbonyls im Festkörper, bestimmt durch Röntgenstrukturanalyse

In der Regel sind solche Komplexe – oder Koordinationsverbindungen – aus einem oder mehreren Zentralteilchen und einem oder mehreren Liganden aufgebaut. Die Zentralteilchen sind dabei meist Atome von Übergangsmetallen.

"Es ist schon außergewöhnlich, dass man ein CO-Molekül an ein Hauptgruppen-Element binden kann. Zwei an ein und dasselbe Nichtmetall-Atom zu koordinieren, ist besonders außergewöhnlich", sagt Chemiker Rian Dewhurst. Dewhurst, der im Team von Professor Holger Braunschweig arbeitet, hat den Artikel gemeinsam mit mehreren Koautoren eingereicht. Es ist die erste Arbeit des Instituts, die vom Fachmagazin Nature akzeptiert wurde.

"In der Zukunft könnten Borylen-Dicarbonyle dazu genutzt werden, die Eigenschaften von Übergangsmetall-Carbonylkomplexen zu imitieren", sagt Dewhurst. Übergangsmetalle verfügen über besondere elektronische Eigenschaften. Diese Elemente aus den Gruppen vier bis zwölf im Periodensystem der Elemente sind in der Lage, relativ leicht mehrere Kohlenstoffmonoxid-Moleküle zu binden.

Vorteile von Bor-Verbindungen

Generell sind Bor-Verbindungen wichtig für verschiedene Anwendungen in der Industrie. Sie kommen unter anderem in katalytischen Prozessen, bei verschiedenen molekularen und Festkörpermaterialien oder bei der Herstellung von Medikamenten zum Einsatz. Ein Katalysator beschleunigt eine gewünschte chemische Reaktion, ohne dabei selbst verbraucht zu werden.

Ein Vorteil der Verwendung von Bor ist, dass es leicht und vergleichsweise günstig verfügbar ist. Es kommt in der Natur meist in mineralischer Form vor und wird unter anderem in den Boratminen in Kalifornien und der Türkei abgebaut. Zudem ist es für Menschen und andere Säugetiere ungiftig. "Dies macht es, zusammen mit seinen einzigartigen elektronischen Eigenschaften, sehr interessant für industrielle und andere kommerzielle Anwendungen", sagt Dewhurst.

Bor ist ein sehr reaktionsfreudiges Element. Mit drei Elektronen auf den Außenbahnen, strebt es nach Verbindungen, die acht Elektronen ermöglichen – so, wie es beispielsweise bei den Edelgasen Neon, Argon oder Xenon bereits im Grundzustand der Fall ist.

Freies Elektronenpaar am Zentralteilchen

Bei dem Borylen-Dicarbonyl-Komplex sind ebenfalls acht Elektronen an den Bindungen zum Boratom beteiligt. Während jeweils zwei die Bindung zu den zwei CO-Molekülen darstellen und zwei weitere einen Kohlenwasserstoffrest binden, konnten die Forscher ein freies Elektronenpaar etablieren, womit insgesamt acht Elektronen vorhanden sind. "Das freie Elektronenpaar ist das Besondere. Unser Rest sorgt für Stabilität. Er schirmt das Gebilde sozusagen ab", sagt Marco Nutz. Der Doktorand ergänzt: "Die meisten Verbindungen, die man in der Art isolieren kann, sind ohne Schutzatmosphäre instabil." Die Würzburger Entdeckung bleibt jedoch auch in "normaler" Umgebung, also unter Zutritt von Luft und Feuchtigkeit einige Tage stabil.

Dewhurst und Nutz betreiben Grundlagenforschung. "Jetzt werden wir die Verbindung, die wir vorgestellt haben, noch weiter untersuchen. Da verfolgen wir verschiedene Ansätze", sagt Dewhurst. Unter anderem wird dabei im Fokus stehen, die Eigenschaften von herkömmlichen Übergangsmetall-Carbonylkomplexen mit denen des Borylen-Carbonyl-Komplexes im Detail zu vergleichen.

Das Element Bor rückt seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus der Naturwissenschaft. Die zunehmende Bedeutung des Elements Bor zeige sich laut Dewhurst auch im wachsenden Interesse der organischen Chemie an Bor und daran, dass auch die Materialwissenschaft immer aufmerksamer die Fortschritte im Bereich der Erforschung von Bor-Verbindungen verfolgt.

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