Bach-Bilder im Teilchenbeschleuniger
Roland Baege/TU Dortmund
Bachbilder gibt es viele – aber sind sie auch echt? Die klassische kunsthistorische Untersuchung, welche Stile verschiedener Epochen und Maler vergleicht, und die Provenienzanalyse, welche die Überlieferung eines Bildes in Dokumenten verfolgt, wird zunehmend ergänzt durch naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden. So lässt sich mit dem Röntgenspektrum der „Synchrotronstrahlung“, welche in einem Teilchenbeschleuniger erzeugt wird, herausfinden, aus welchen Atomen eine bestimmte Farbe besteht. Findet sich dann an einer weißen Stelle das verräterische Titan, deutet das auf eine Entstehung im 20. Jahrhundert. Denn erst ab ca. 1910 wurde Titandioxid in Farben verwendet.
Am letzten Freitag wurden nun drei mutmaßliche Bach- Bildnisse im Teilchenbeschleuniger-Ring DELTA an der Technischen Universität Dortmund auf ihre atomare Zusammensetzung hin untersucht. Zwei Bilder hatten 2014 den Besitzer gewechselt: Eines, eine Gouache, ist rückseitig mit „Joh. Sebast. Bach 1737“ beschriftet und gehört nun einem Privatmann aus Dortmund. Ein weiteres Bild, ein Pastell, das um 1730, also auch zu Lebzeiten Bachs (1685-1750) entstanden sein soll, erwarb das Bachhaus Eisenach. Dieses steuerte außerdem ein auf ca. 1830 datiertes weiteres Bach-Pastell zur Prüfung der Datierung bei. Die Idee zu der röntgenographischen Untersuchung entstand, nachdem Prof. Dr. Metin Tolan, der Leiter der Forschungsstelle am DELTA-Speicherring der TU Dortmund, einen Vortrag über neu aufgefundene Bach-Bilder gehört hatte. Die Untersuchung, zu dem das DELTA-Team den Experten Dr. Alex von Bohlen vom Dortmunder Leibniz-Institut für analytische Wissenschaften (ISAS e.V.) hinzugezogen hatte, ergab nun hinsichtlich der beiden Eisenacher Bach-Bilder Entwarnung: Atomar spreche nichts gegen die bislang angenommene Entstehung im 18. bzw. 19. Jahrhundert.
Bei dem Dortmunder Bild fanden sich Spuren von Barium und Zink. Diese könnten auf die Verwendung sogenannter Lithopone (eine Mischung aus Zinksulfid und Bariumsulfat) oder von Zinkweiß hindeuten. Solche Weiß-Pigmente hielten erst im 19. Jahrhundert langsam Einzug in die Maler-Ateliers, zur Bach-Zeit gab es die Farbe noch nicht. Die Wissenschaftler raten aber zur Vorsicht: Es könne sich auch zufällig um Stellen handeln, die später einmal restauriert wurden. Das vorläufige Resultat müsste deshalb durch eine großflächige
Untersuchung überprüft werden.
„Wir sind erleichtert, dass auf unseren Bildern alles zur bisherigen Datierung passt“, sagt Jörg Hansen, der Direktor des Eisenacher Bachhauses. Besonders freut er sich, dass die Datierung des Pastells von 1830 bestehen bleiben kann. „Es ist damit das früheste bislang aufgefundene Exemplar eines verbreiteten Bachbild-Typus, der Bach sehr verjüngt und fast hoheitlich blickend zeigt“, so Hansen. Bei dem anderen Pastell, das der Bachforscher Charles Sanford Terry 1936 für das hielt, welches einst Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel besessen hatte, gingen im vergangenen Jahr die Meinungen der Experten auseinander. „Zumindest ist es wohl nicht gefälscht, wie auch schon gemutmaßt wurde“, meint Hansen. Ob das Bild tatsächlich Bach zeige, könne durch die Strahlen aber leider nicht erhellt werden.
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